Das Omega Echtheitszertifikat und meine Vintage Speedmaster: Ein Erfahrungsbericht

Es ist Sonntag, der 29. Oktober 2017. Draußen fallen frühe Sonnenstrahlen durch die zitternden Bäume, die ihr Laub längst abgeworfen haben. Ein schöner und milder Tag im Münchner Spätherbst. Doch für verträumte Spaziergänge ist keine Zeit, um 10:00 Uhr öffnet Europas größte Uhrenmesse ihre Pforten. Rein ins Auto, raus nach Unterschleißheim, wo das Event bis heute in regelmäßigen Abständen stattfindet. Getauscht wird frische Luft gegen stickiges Gedrängel vor den Vitrinen und Ständen der Händler, die ihre mehr oder minder begehrenswerten Zeitmesser in den Auslagen präsentieren. Allesamt, die wir uns durch die überfüllten Gänge schieben, eint dieselbe Hoffnung: Ein Scheunenfund, ein Schnäppchen, die Nadel im Heuhaufen. Viel zu oft bin ich frustriert wieder nach Hause gefahren, bloß das Eintrittsticket und zwei Nato-Bänder in der Tasche. Doch heute blitzt irgendwo im vorletzten Gang Hoffnung aus einer kleinen Eichenholzvitrine. Bloß fünf Uhren hat der Händler dabei, wovon eine sofort meine volle Aufmerksamkeit genießt. Es ist eine Vintage Omega Speedmaster. Zifferblatt, Zeiger, Gehäuse, Deckel und Band scheinen komplett unberührt. Eine 145.022, wohl aus 1971. Zumindest deutet die Werknummer auf das Produktionsdatum hin. Aber kein Problem, der Archivauszug sei bereits bei Omega angefordert und würde mir zugeschickt, versichert der Händler. Wir werden uns einig und ich verlasse die Uhrenbörse mit einem echten Klassiker am Arm.

Unsere Omega Speedmaster aus 1971
Meine Omega Speedmaster Referenz 145.022 aus 1971.

Zwei Wochen später liegt der Archivauszug im Briefkasten. Der Händler hat Wort gehalten. Ungeduldig packe ich das Dokument aus und siehe da, meine Vintage Speedmaster ist tatsächlich aus 1971. Sie wurde sogar nach Deutschland ausgeliefert. Zufrieden schaue ich auf das Stepdial meiner Moonwatch, betrachte die komplett gleichmäßig patinierte Tritium-Leuchtmasse freue mich jetzt noch mehr über den Scheunenfund der Münchner Uhrenbörse. Bis heute gehört die Speedy zu meinen absoluten Lieblingsuhren und kann sich über fehlende Wirst-Time nicht beklagen. Was mich über die Jahre allerdings immer umgetrieben hat, ist die Frage der vollständigen Authentizität. Sicher, ich kenne mich ganz gut mit alten Uhren aus, aber ist die Leuchtmasse auf Blatt und Zeigern wirklich alt und passt die Lünette 100% zum Rest des Gehäuses? Eine offizielle Instanz für die Beantwortung meiner Fragen gibt es damals nicht. Glücklicherweise hat sich das geändert und Omega selbst hat sich dieser Marktlücke angenommen. Das Zauberwort heißt Echtheitszertifikat und wird ausschließlich in der Manufaktur in Biel vergeben. Um den gesamten Prozess samt Aufwand, Kosten und Nutzen zu beleuchten, bin ich mit meiner Vintage Speedy in die Schweiz gefahren. Dort habe ich ausführlich mit Omega-Legende Petros Protopapas gesprochen (das ganze Interview finden Sie hier), mir die Archive angesehen und meine Moonwatch schlussendlich zur Zertifizierung abgegeben. Kürzlich dann der Anruf, dass ich das gute Stück in der Münchner Omega-Boutique abholen kann. Ob es sich gelohnt hat, erzähle ich hier.

Die Omega Manufaktur in Biel
Die Omega Manufaktur in Biel. Hier werden die Uhren für das Echtheitszertifikat begutachtet und bewertet.

Exklusiv in Biel: So entsteht das Omega Echtheitszertifikat

Seit Jahren öffnet Omega seine Archive und liefert Sammlern rund um den Globus wertvolle Daten zu ihren Vintage Uhren. Mit dem Archivauszug aus Biel ist wohl jeder irgendwo schon einmal in Kontakt gekommen, der sich für historische Zeitmesser von Omega interessiert. Für dieses Dokument muss die Uhr nicht physisch in der Manufaktur vorliegen. Es genügen die Nummern von Werk, Gehäuse und Referenz sowie Bilder der Uhr. Mit diesen Informationen macht sich das Team um Petros Protopapas in den Archiven auf die Suche nach Informationen über das Produktionsdatum und das Auslieferungsland.

Dieser Service wird häufig im Vorfeld des Kaufs einer Vintage-Uhr bei uns angefragt, um zu sehen, ob eine Uhr mit den angegebenen Nummern jemals bei Omega gefertigt wurde. Ob alle Teile noch im Originalzustand sind, kann der Archivauszug nicht klären“, gibt mir Petros zu bedenken.

Petros Protopapas
Petros Protopapas, „Head of Brand Heritage“ bei Omega.

Genau an dieser Stelle, kommt das noch junge Echtheitszertifikat von Omega ins Spiel. Im direkten Vergleich zum Archivauszug liegt der große Unterschied – neben dem Umfang des Services – in der Tatsache, dass die Uhr live in Biel vorliegen muss. Das eröffnet Petros und seinem Team eine ganz neue Bandbreite an Möglichkeiten, was die Begutachtung des Zeitmessers betrifft, wie er mir erklärt:

„Nun sehen wir nicht nur Fotos, sondern in welchem Zustand sich die Uhr tatsächlich befindet. An diesem Punkt beginnt für uns die kniffelige Arbeit: Wir schauen uns jedes einzelne Teil an, das für den Zustand und die Authentizität des Zeitmessers wichtig ist. Wir analysieren das Zifferblatt, die Zeiger, die Leuchtmasse, das Gehäuse, die Gravuren, die Lünette und natürlich das Werk. Uns geht es hierbei um die Zertifizierung der Echtheit der Einzelteile der Uhr und ob sie zeitlich noch zueinander passen.“

Omega beantwortet damit die für Sammler entscheidende Frage, wie sehr ihre Uhr noch dem Auslieferungszustand entspricht und welche Teile im Laufe der Jahre ausgetauscht wurden. Also genau das, wonach ich suche. Informationen, die man sonst vor allem in Uhrenforen finden kann, aber so gut wie nie direkt vom Hersteller bekommt. Schon gar nicht von einer Manufaktur in der Größe Omegas, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte viele Millionen Uhren produziert hat. Wer sein Schmuckstück für die Erstellung des Echtheitszertifikats nicht persönlich in Biel vorbeibringen möchte oder kann, hat die Möglichkeit, sie in einer von weltweit 19 ausgewählten Omega Boutiquen abzugeben. Eine Übersicht der Standorte finden Sie hier. In Deutschland ist die Markenrepräsentanz in München der Ort der Wahl, wenn es um die Auftragsannahme und den Versand des historischen Zeitmessers in die Manufaktur geht.

Unsere Omega Speedmaster aus 1971
Ziel der Suche: Die individuelle Werknummer meiner Vintage Speedmaster.

Der Teufel steckt im Detail: Die Schritte zum Echtheitszertifikat

In Biel angekommen, wird meine Speedmaster von Petros und seinem Team in Augenschein genommen. Um einen ersten Eindruck von dem Alter zu erlangen und um das ursprüngliche Produktionsblatt in den Archiven zu finden, wird der Gehäuseboden abgeschraubt, die antimagnetische Weicheisenkappe abgehoben und die Werknummer aufgeschrieben. Mit dieser achtstelligen Zahl im Gepäck macht sich Petros jetzt auf die Suche nach weiteren Informationen zur Uhr. Ich folge ihm in das Archiv, wo er mithilfe der Werknummer das Produktionsblatt heraussucht. Seit den 1980er Jahren hat Omega diese Dokumente auf Microfilm gezogen. Er legt die Kassette in eine spezielle Lesemaschine ein und wird nach wenigen Minuten fündig. Die Ergebnisse gleicht er danach nochmal mit dem Produktionsbuch ab, um 100 Prozent sicher zu sein.

Aus dem internen Produktionsblatt lassen sich wichtige Daten herauslesen, die Auskunft über sieben charakteristische Merkmale des Zeitmessers geben:

      • Produktionszeitraum
      • Serien- und Werknummer
      • Verbautes Kaliber
      • Verwendetes Gehäuse inkl. Gehäuseboden
      • Zifferblatt
      • Zeigersatz
      • Art der Lünette

In Anschluss wird überprüft, ob meine Speedmaster noch in allen Teilen, die aus dem Produktionsblatt hervorgehen, authentisch ist. Dieser Prozess umfasst zahlreiche Details, hier am Beispiel der Zeiger: Sind sie echt? Passen sie alle zeitlich zusammen? Ist ihre Leuchtmasse authentisch oder wurden sie re-lumed und dabei farblich angepasst, um bloß den Eindruck zu erwecken, alt zu sein? Omega hat hierfür präzise Messinstrumente und Verfahren etabliert, die das Zerlegen der Uhr obsolet machen. Gerade für Vintage-Sammler ist das ein echter Pluspunkt, da beim Auseinander- und Zusammenbauen von Zeitmessern, die Teils deutlich älter als 50 Jahre sind, immer mal ein Chip im Zifferblatt oder ein Riss in der Zeigerleuchtmasse entstehen kann. Petros verdeutlicht das Ganze in unserem Gespräch nochmal:

„Wir können circa 99 Prozent aller wichtigen Einzelteile überprüfen, ohne die Uhr zu zerlegen. Wir öffnen sie beispielsweise nur, um uns das Uhrwerk zu sehen und nehmen nicht einmal das Werk aus dem Gehäuse, es sei denn, der Kunde hat uns im Rahmen einer zusätzlich vereinbarten Grundüberholung explizit dazu beauftragt. Auch Zeiger und Zifferblatt sowie deren Leuchtmasse können wir authentifizieren, ohne sie zu demontieren. Deshalb müssen sich Sammler auch keine Sorgen machen, wenn sie ihre geliebten Schmuckstücke in unsere Hände geben.“

Unsere Omega Speedmaster mit Echtheitszertifikat

Back for good: Die Abholung meiner Speedmaster, nun mit Echtheitszertifikat

Nach meinem Besuch in Biel vergehen knapp 10 Wochen, bis das Telefon klingelt. Die freudige Erwartung wird dabei nicht enttäuscht, denn meine Speedmaster ist in der Münchener Omega Boutique abholbereit. Wie ich vor Ort sehe, umfasst das gesamte Package rund um das Echtheitszertifikat deutlich mehr als ein bloßes Dokument mit Informationen zu Uhr. Aus einem weißen Umkarton mit Omega Logo hebe ich vorsichtig die Box zur Uhr. Ich bin überrascht, mit einem so markanten Auftritt hätte ich nicht gerechnet. Form und Design sind Vintage-Boxen nachempfunden, was vor allem durch den kräftigen Rotton des Lederbezugs auffällt, sowie durch die Spangenhalterung im Inneren. Hier thront meine Speedmaster, die ich nun endlich wieder anziehen kann.

Unsere Omega Speedmaster mit Echtheitszertifikat

Im Boden des Umkartons ist ein Fach ausgeschnitten, in dem das Echtheitszertifikat passgenau Platz findet. Es ist ein kompaktes, gebundenes Buch mit Hardcover und einigen Seiten zum Durchstöbern. Darin finde ich Fotos meiner Uhr, ihres Werkes und des Gehäusebodens. Besonders spannend ist aber die Doppelseite mit der individuellen Bewertung der Authentizität ihrer Einzelteile.

Unsere Omega Speedmaster mit Echtheitszertifikat

Neben dem exakten Produktionsdatum und allen wichtigen Nummern der Uhr sowie ihres Armbandes, finde ich die lange ersehnte Bestätigung im anschließenden Fließtext. Dort heißt es „At the time of expertise, we observed the presence of an original black dial, correctly signed with “T Swiss Made”, with evenly aged luminous tritium indexes and printed Omega logo”. Es geht weiter mit „The hands observed during our expertise are original, and the ageing luminous material matches the aged tritium on the dial”. Als im Folgenden noch das korrekte Glas und die passende Lünette in sehr gutem Zustand herausgehoben werden, befinde ich mich bereits auf Wolke 7 des Vintage-Himmels. Auf kompaktem Raum steht hier alles, was man zur Uhr wissen muss, zertifiziert von Omega selbst. Ich verlasse die Boutique mit Uhr, Box sowie Zertifikat und dem Gefühl ähnlich eines Neukaufs, so opulent wie das gesamte Paket ist.

Das Omega Echtheitszertifikat: Kosten und Nutzen 

Das Echtheitszertifikat von Omega ist für alle Zeitmesser der Marke bestellbar, die über 30 Jahre alt sind. Die Uhr muss dafür physisch in der Manufaktur in Biel vorliegen und kann entweder persönlich vorbeigebracht oder in einer der teilnehmenden Boutiquen abgebeben werden. In Deutschland ist München der Ort der Wahl. Der gesamte Prozess aus Erstellung und Ausfertigung des Zertifikats, inklusive der intensiven Prüfung und des individuellen Zustandsberichts der Uhr, sowie der Präsentationsbox und dem Versand kostet aktuell € 880,00. Die Zahl mag im ersten Augenblick und im direkten Vergleich zu dem simplen Archivauszug hoch erscheinen, doch nachdem ich gesehen haben, wie viel Arbeit in die Bewertung jedes einzelnen Zeitmessers fließt, erscheint mir der Preis absolut angemessen. Ich bin seit Erhalt des Echtheitszertifikats jedenfalls mehr als glücklich zu wissen, dass meine 1971er Speedmaster, die ich vor 5 Jahren auf der Münchner Uhrenbörse gefunden habe, original und authentisch ist. Wer alle verfügbaren Informationen zu seiner Vintage Omega inklusive Statusbericht ihres Zustandes sucht, findet in dem Omega Echtheitszertifikat ein Package, das gerade mit Blick auf die Preis-Leistung nicht weniger als eine echte Empfehlung ist. 


Weitere Informationen zu Omega und dem Echtheitszertifikat finden Sie hier

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Bilder © David Schank, Watchlounge