Review: Die neuen Breguet Type 20 und Type XX

Wer an Chronographen von Breguet denkt, hat mehr oder minder sicher das Gesicht einer Type XX vor Augen. Oder doch eher von einer Type 20? Mit der Namensgebung ist es nur auf den ersten Blick etwas unübersichtlich, aber dazu gleich mehr. Seit ziemlich genau 70 Jahren baut Breguet seine sportliche Stoppuhr mit der arabischen oder römischen Zwanzig als Modellbezeichnung. Mal für Streitkräfte, mal für zivile Handgelenke. Gemeinsamkeiten gibt es zahlreiche. Allesamt sind robuste Pilotenuhren mit untrüglicher Ablesbarkeit, überdimensionaler Aufzugskrone und elementarer Chronographen-Funktion für den Einsatz im Cockpit. Um dieses Erbe zu feiern, hat uns Breguet zu den Wurzeln seiner Zeitmesser nach Paris eingeladen, wo der neue Type 20 mit Referenz 2057 sowie der Type XX mit Referenz 2067 vorgestellt wurden. Zwei Modelle, die den Startschuss für eine neue Ära sportlicher Stoppuhren einleiten sollen und mit denen Breguet sein bisweilen antiquiertes Image wandeln möchte. Kommen Sie doch einfach mit nach Paris. 

Die beiden Breguet Type XX des Jahres 2023
Die neueste Varianten der Breguet Modelle Type 20 (links) und Type XX

Die Geschichte der Breguet Type 20 & Type XX: Retour en Vol 

Abraham-Louis Breguet ist zwar im schweizerischen Neuenburg (auch „Neuchâtel“) geboren, seine Wirkung entfaltet der Urvater der großen Komplikationen aber in Paris. Ohne ihn gäbe es wohl kein Tourbillon, keine Breguet-Spirale und schon gar keine Breguet-Ziffern mit ihrem unverwechselbaren Schwung. Als Gründer einer der – schon damals – prestigeträchtigsten Manufakturen im Bau mechanischer Zeitmesser ist er als Perfektionist und Innovator erster Güte in die Geschichte eingegangen. Geschätzter Lieferant der Bourbonen sowie von Napoleon Bonaparte.

Auch wenn seine Manufaktur im Jahr 1875 aufgrund fehlender Nachkommen die Familie verlässt, bleibt der Name Breguet stets mit Paris und Frankreich verwoben. Nachfolgende Generationen machen sich vor allem in der aufkommenden Aviatik und dem Bau erster Flugzeuge im 20. Jahrhundert einen Namen. Zu dieser Zeit produziert Breguet, wenn auch nicht mehr im Familienbesitz, noch immer Uhren erster Güte. Vor allem für die Luftfahrt werden seit den 1930er Jahren Flugplatzchronometer, Chronographen mit Schleppzeiger und präzise Bordchronometer gebaut. Für das Handgelenk entstehen zu dieser Zeit erstmals Chronographen, ab 1935 auch in Stahl. 

Die Breguet Borduhr 22544
Die Breguet Borduhr Type 12 mit Nr. 22544

Um das Geschäft anzukurbeln, bewirbt sich Breguet im Jahr 1952 auf eine Ausschreibung des „Service Technique de l´Aéronautique“ (STAé) der französischen Luftwaffe. Konkret geht es um einen Großauftrag von Armband-Chronographen für Piloten, die dem Französischen Luftfahrtministerium unterstehen. Die von Breguet eingereichten Prototypen entsprechen seit 1953 den doch recht strengen Anforderungen der STAé. Auch wenn aus dieser Zeit kein originales Anforderungsheft der Behörde vorliegt, lassen die Spezifikationen der Breguet-Uhren Rückschlüsse auf die vorherrschende Erwartungshaltung zu: staub- und feuchtigkeitsdichtes Gehäuse mit verschraubtem Boden, Stoßsicherung, drehbare Lünette mit Leuchtmarkierung sowie Leuchtzeiger. Dazu verfügen die eingereichten Prototypen über einen Flyback-Chronographen (französisch „retour en vol“), dessen Stoppsekunde nach dem Betätigen des Reset-Drückers auf 12 Uhr springt und sofort wieder losläuft. Gerade bei reinem Instrumentenflug eine teils überlebenswichtige Funktion für das Bestimmen der eigenen Position.

Die historische Breguet Type 20 Nr. 7211
Die legendäre Breguet Type 20 mit Nr. 7211 für das Französische Luftfahrtministerium

Breguet erhält jedenfalls im Jahr 1954 den Zuschlag des Französischen Luftfahrtministeriums und darf sich über einen Auftrag mit 1.100 Chronographen des Type 20 freuen. Die bis dato größte Bestellungen der Firmengeschichte, die die Manufaktur und deren Zulieferer für die kommenden Jahre auslastet. Die Auslieferung findet schlussendlich in mehreren Tranchen zwischen 1955 und 1959 statt. Was seit 1955 ebenfalls feststeht, ist die Nomenklatur der Modelle: Type 20 heißen die Militär-Chronographen, während auf dem Typenschild der Zeitmesser für zivile Zwecke Type XX steht. 

Die historische Breguet Type XX Nr. 1888
Die zivile Breguet Type XX mit Nr. 1888 aus dem Jahr 1955 mit 12-Stunden-Zähler 

Neben den Einsatzuhren („Type 20“) ist Breguet schon damals sehr daran gelegen, auch seine Type XX Zeitmesser bestmöglich zu verkaufen. Deshalb entsteht im Mai 1955 eine zivile Variante mit Referenz 1888, die erstmalig über einen 12-Stunden-Zähler auf 6 Uhr verfügt. Zielgruppe dieses „3-compteurs“ sind Piloten und Navigatoren von Fluggesellschaften sowie Chronographen-Fans und Sammler der Marke. Daran hat sich bis heute wenig geändert, weshalb es uns nicht überrascht, dass der neueste Type XX auf dem historischen Vorbild von 1955 aufbaut. Zumindest auf den ersten Blick. 

Die Breguet Type XX Ref. 2067

Der Type XX mit Referenz 2067 – Ode an die zivile Version aus 1955 

In der Uhrenindustrie verstreicht grundsätzlich kein Jubiläum, ohne dass die Korken knallen. Das gilt mehr oder minder für alle Marken und ist auch bei Breguet nicht anders. Pünktlich zum 70. Geburtstag der ersten Type-Prototypen aus dem Jahr 1953, lanciert die Manufaktur nun zwei neue Modelle unter besonderer optischer Berücksichtigung ihrer historischen Vorbilder. Wir starten mit dem neuen Type XX, der die Referenz 2067 trägt und dem gerade vorgestellten zivilen Vintage-Modell aus dem Jahr 1955 wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Was die Proportionen und vor allem die Technik betrifft, sind wir aber zweifelsohne im Hier und Jetzt angekommen. 

Die Breguet Type XX Ref. 2067Die Breguet Type XX Ref. 2067

Markante 42 mm Durchmesser und 14,1 mm Bauhöhe misst sein Gehäuse aus Edelstahl. Es verfügt über abwechselnd satinierte wie polierte Oberflächen und eine ausladende Fase zwischen Hörnern und Flanken. Die geriffelte Stahllünette mit 12-Stunden-Markierungen rotiert hochglanzpoliert auf dem Korpus der Uhr. Durch ihre Rasterung in beide Seiten wird dem unabsichtlichen Verstellen entgegengewirkt. Die Krone ist massiv und nicht verschraubt. Dennoch liegt die Wasserdichtigkeit bei 10 bar.  

Die Breguet Type XX Ref. 2067

Das Zifferblatt entsteht vor einem schwarzen Hintergrund mit 15-Minuten-Zähler bei 3, 12-Stunden-Zähler bei 6 und Sekundenzähler bei 9 Uhr. Die Totalisatoren zeigen sich in unterschiedlicher Größe, damit das gesamte Zifferblatt besser ablesbar ist. Die arabischen Ziffern, die Zeiger und das Dreieck auf der Lünette sind mit elfenbeinfarbener Leuchtmasse beschichtet. Bei 4:30 Uhr befindet sich das Datumsfenster, dessen Existenz bereits für starke Diskussionen gesorgt hat. Dazu später in unserem Fazit mehr.

Das neue Flyback-Kaliber 728: State-of-the-art

Das Werk der Breguet Type XX Ref. 2067

Im Inneren des neuen Type XX arbeitet das neu entwickelte Kaliber 728 mit automatischem Aufzug, Flyback, vertikaler Kupplung und einer Schwungmasse aus geschwärztem Gold. Wie auf dem Bild zu sehen ist, wurde auch das Schaltrad DLC beschichtet, was für ansprechende Kontraste im Maschinenraum der Referenz 2067 sorgt. Ganze vier Jahre hat die Entwicklung in den Ateliers in der Breguet-Manufaktur in L´Orient gekostet (hier finden Sie unser Porträt der Manufaktur). Technisch besonders raffiniert sind seine Frequenz von 5 Hertz und die Verwendung von Hemmungsrad und Spiralfeder aus Silizium. Damit ist die Uhr auch gegen kraftvolle Magnetfelder immun, die beispielsweise durch unmittelbare Nähe zu Smartphones oder Tablets ihre gangverändernde Wirkung auf Zeitmesser mit ordinärer Stahl-Spiralfeder entfalten. 

Die Breguet Type XX Ref. 2067

Wer es puristischer mag, aber den optischen Rückgriff auf die historischen Modelle sucht, sollte sich den neuen Type 20 mit Referenz 2057 nicht entgehen lassen.

Der Type 20 mit Referenz 2057 – das militärische Erbe von 1953

Die Breguet Type 20 Ref. 2057

Streng genommen, handelt es sich bei dieser Type 20 um die eigentliche Jubiläumsuhr des neuen Duos von Breguet. Wir erinnern uns, die Zwanzig in römischen Ziffern steht für zivile Versionen, in arabischen Ziffern für militärische. Im Jahr 1953 taucht der Name „Type 20“ zudem zum ersten Mal in den Büchern der Manufaktur auf, als Prototypen für den „Service Technique de l´Aéronautique“ der französischen Luftwaffe hergestellt werden. Darauf folgt der Großauftrag mit 1.100 Bestellungen des Französischen Luftfahrtministeriums in 1954. Dieses 70. Jubiläum der ersten, militärischen Type-Prototypen dient Breguet nun jedenfalls als Anlass der beiden Neuheiten. Die Type 20 mit Referenz 2057 ist optisch besonders puristisch unterwegs, was sie auch bei unseren Umfragen just nach dem Launch am 6. Juni zum Favoriten innerhalb der Leserschaft gemacht hat. 

Die Breguet Type 20 Ref. 2057

Wir starten direkt mit den Details: Die arabischen Ziffern, das Dreieck auf der Lünette und die Zeiger sind stark lumineszierend und pfefferminzgrün. Dieses Modell kommt, analog zu den historischen Vorbildern, mit zwei Hilfszifferblättern aus. Dabei ist der 30-Minuten-Zähler bei 3 Uhr deutlich größer. Auch hier wurde bei 4:30 Uhr ein durchaus polarisierendes Datumsfenster eingepasst. Wie bereits angekündigt, kommen wir darauf noch zu sprechen. 

Die Breguet Type 20 Ref. 2057

Was die Proportionen betrifft, sind beide Varianten identisch. Deshalb bildet auch hier ein 42 mm großes und 14,1 mm hohes Gehäuse aus Edelstahl den Korpus der Type 20. Ein gestalterischer Unterschied geht allerdings von der Lünette aus. Sie ist zwar auch Hochglanz poliert, aber stärker geriffelt und kommt ohne Gradierung aus – so wie sie früher an die Luftstreitkräfte geliefert worden war. Ebenfalls dem historischen Militärmodell entliehen, ist die Birnenform der Krone. Damals wie heute kann man das Steuerungselement dank seiner Übergröße auch mit Handschuhen bedienen. Versuchen Sie das mal mit der Uhr, die Sie gerade tragen. 

Die Breguet Type 20 Ref. 2057

Im rückseitig verglasten Maschinenraum der Type 20 kommt das Kaliber 7281 zum Einsatz. Es bildet ein Geschwisterpaar mit dem 728 der Type XX, allerdings waren kleine Modifikationen nötig, da letztere drei Hilfszifferblätter besitzt und die Type 20 bloß zwei. Gleich sind dagegen alle positiven Details des Antriebs, der über vier Jahre in der Manufaktur von Breguet entwickelt wurde. Von dem automatischen Aufzug bis hin zur praktischen Flyback-Funktion des Chronographen, im Werk mit entsprechender Gravur „retour en vol“ gekennzeichnet. 

Das Werk der Breguet Type 20 Ref. 2057

Dazu eine hochfrequent schwingende Unruh mit 5 Hertz (entspricht 36.600 Halbschwingungen pro Stunde) sowie die Verwendung von Spiralfeder und Hemmungsrad aus antimagnetischem Silizium. Nehmen Sie die Uhr unbedingt auch mal selbst in die Hand. Man spürt die Qualität des Werkes schon beim ersten Handling. Ihr feiner Aufzug in Kronenposition eins, das satte Klicken beim Betätigen der Drücker und das rasende Ticken, wenn man die Uhr ans Ohr hält. Breguet hat keine Kompromisse gemacht, hier arbeitet ein modernes wie erstklassiges Kaliber mit Flyback-Chronograph. 

Die beiden Breguet Type XX des Jahres 2023

Fazit: Die neuen Breguet Type 20 und Type XX

Mit dem neuen Type 20 und Type XX zeigt uns Breguet das Fundament, auf dem in den kommenden Jahren sportliche Pilotenuhren mit historischen Designbezügen und modernster Technik stattfinden werden. Wie uns Emmanuel Breguet (hier unser Interview mit ihm) vor Ort versichert, haben wir es hier explizit nicht mit einem one-shot zu tun, sondern mit dem Beginn einer neu aufgestellten Modellfamilie, von der sich die altehrwürdige Manufaktur einiges versprechen dürfte. Vor allem mehr Aufmerksamkeit von all jenen, denen das traditionelle Line-up der Marke zu klassisch in Richtung Dresswatch zeigt. Dafür gibt es nun markante Chronographen, die für starke Präsenz am Handgelenk sorgen und das gestalterische Erbe der frühen Type-Modelle aus den 1950er Jahren unverkennbar einfließen lassen. 

Die Breguet Type XX Ref. 2067

Nun lässt sich vortrefflich darüber streiten, wie hoch die zugeführte Dosis an Vintage-DNA sein darf, um neue Zeitmesser noch glaubhaft als solche präsentieren zu können. Breguet hat sich mit den Type 20 und Type XX Modellen für die Mischung aus satten Proportionen, modernster Technik und historischer Optik entschieden. Beide Modelle wurden zudem mit einem Datum versehen, das zum hitzig diskutierten Detail, ja zum Zankapfel des Launches avanciert ist. Zugegeben, bei genauer Betrachtung wirkt die Positionierung bei 4:30 Uhr etwas eng, bei 6 Uhr hätte es womöglich homogener ausgesehen. Oder hätte man das Datum gleich ganz weglassen sollen, wie bei den historischen Modellen der 1950er?

Zwei Punkte dazu: Breguet wollte zu keinem Zeitpunkt eine 1:1 Kopie der Vergangenheit herstellen. Das wäre ziemlich einfach gewesen, aber auch irgendwie langweilig. Zudem war Firmengründer Abraham-Louis Breguet ein großer Innovator, der der Uhrmacherei seiner Zeit zu ungewohnten Höhen verhalf. Wie würde es zusammenpassen, ein Jubiläum mit neuen Uhren zu feiern, das unweigerlich auch in seinem Namen stattfindet, in dem es keine neuen, gestalterischen Elemente zu entdecken gibt? 

Die Breguet Type 20 Ref. 2057

Beim Tragen fällt das Datum ohnehin fast gar nicht auf, es gehört eher zu den dezenten Details. Seine Sichtbarkeit steht quasi umgekehrt proportional zu der Aufmerksamkeit, die ihm aktuell zuteil wird. Was ebenfalls nicht vergessen werden sollte, ist dass wir es hier mit den beiden Anfangsmodellen einer neuen Generation des Type 20 und Type XX zu tun haben. Auf diesem Fundament wird in Zukunft noch einiges geboten werden. Laut Breguet-CEO Lionel a Marca passt das neue Flyback-Kaliber auch in kleinere Gehäuse. Mindestens 40 mm Durchmesser benötigt man, um es einschalen zu können. Gespannt schauen wir also in die Zukunft und fragen uns, welches der beiden neuen Modelle Abraham-Louis Breguet wohl lieber tragen würde. Wie sieht es denn bei Ihnen aus, eher die militärisch inspirierte Type 20 oder die Type XX mit ihren 3 Subdials? Ganz gleich wo die Präferenz liegt, der Preis ist für beide Varianten identisch: 18.900 Euro steht inklusive deutscher Mehrwertsteuer auf dem Preisschild. Erhältlich sind beide Modelle nicht nur in den Breguet Boutiquen dieser Welt, sondern auch im ausgewählten Fachhandel. Diesen Satz liest man bei Neuvorstellungen immer seltener, aber die Marke bleibt, analog zur Stimmung in der Swatch Group, dem stationären Retail treu. Sollten Sie dennoch eine selbst geführte Niederlassung der Marke ansteuern wollen, ist Ihre erste Anlaufstelle in Deutschland Düsseldorf. 

Die Breguet Boutique an der Place Vendôme in ParisParis

Falls Sie demnächst mal in Paris sind, oder einen Vorwand brauchen, um eine der schönsten Städte der Welt zu besuchen, planen Sie doch einfach einen Besuch der Breguet Boutique mitten an der Place Vendôme. Hier gibt es nicht nur tolle Zeitmesser zu begutachten, von hier aus liegt ihnen die pulsierende Metropole quasi zu Füßen. Es sind nur ein paar Schritte in die Tulerien oder auf eine der Seine-Brücken, von denen Sie dem Eiffelturm beim Überragen der Dächer zusehen können. Kein Wunder, dass es Abraham-Louis Breguet in Paris gefallen hat. 

Weitere Informationen zu Breguet und dem neuen Type 20 und Type XX finden Sie auf der Seite der Manufaktur hier


Text & Bilder ©David Schank, Watchlounge