Behind the Scenes: Der Van Cleef & Arpels Watchmaking Workshop in Meyrin

Wer das „Poetry of Time“-Konzept hinter den detailverliebten Zeitmessern des französischen Traditionshauses Van Cleef & Arpels verstehen will, begibt sich am besten an den Ort, an dem die faszinierenden Kreation für das Handgelenk zum Leben erweckt werden. In Meyrin hatte ich die Möglichkeit, einen unverstellten Blick hinter die Kulissen der Manufaktur zu werfen, in der die Uhren von Van Cleef & Arpels konzipiert, produziert und assembliert werden. So klangvoll wie sich der offizielle, französische Name „Les Ateliers Horlogers“ anhört, sieht es in einzelnen Fachabteilungen auch aus. Alte Handwerkskünste werden hier für nachfolgende Generationen bewahrt und durch Handarbeit, Hingabe und Stolz zum Leben erweckt. Am Ende sind es auch hier die Menschen, die den Unterschied machen. So wie Pascal Narbeburu, der den Watchmaking Workshop in Meyrin seit der Einweihung im Jahr 2016 als Timepieces Director leitet. Mit ihm spreche ich über die Designsprache der Marke, seine Vision für die Uhren der Maison und wodurch er immer wieder Inspiration für neue Kunstwerke schöpft. Wer Van Cleef & Arpels vor allem als exklusive Schmuckmarke wahrnimmt, sollte mich unbedingt auf dem kurzweiligen Spaziergang durch die Hallen und Höhen der Manufaktur begleiten. Es gibt immer etwas zu entdecken oder wie Pascal Narbeburu sagen würde „it´s all in the details“…

Anflug nach Genf
Eine feine Wolkenschicht trennt an diesem Tag den Blick vom Ufer des Genfer Sees auf das Bergpanorama. Unser Joker: Ein Fensterplatz 

Unser Ziel: „Campus Genevois de Haute Horlogerie“ in Meyrin

Eine Reise unter dem Stern „Poesie der Zeit“ klingt so spannend wie ungewöhnlich, beginnt jedoch in bekannter Umgebung: MUC-GVA, here we go again. Anflug über die Alpen, vorbei am Genfer See und damit endet auch schon das Standard-Programm. Wer den Van Cleef & Arpels Watchmaking Workshop entdecken will und darf, muss nicht in den Genfer Industrievorort Plan-les-Ouates, wo unter anderem Rolex und Patek Philippe produzieren. Auch der ausgedehnte Ritt nach Le Brassus ins Vallée-de-Joux fällt aus. In den Einzugsbereich von Traditionsmanufakturen wie Audemars Piguet und Blancpain begeben wir uns ein andermal. Heute sind wir nach der Landung schon fast da, was bei Genf-Reisen im Zeichen der Uhrmacherei eher Ausnahme als Regel ist. Van Cleef & Arpels produziert seine Zeitmesser in Meyrin, bloß fünf Kilometer vom Airport entfernt. Seit 2016 ist dort der „Campus Genevois de Haute Horlogerie“ in Betrieb, an dem hochkarätige Richemont-Marken wie Cartier, Roger Dubuis und auch Van Cleef & Arpels forschen und/oder produzieren.

Der Watchmaking Workshop von Van Cleef and Arpels
Where the magic happens: Der Watchmaking Workshop von Van Cleef & Arpels in Meyrin

Der Watchmaking Workshop: Wo Handwerkskunst zuhause ist

Wer in die Herzkammer der Uhrenmanufaktur von Van Cleef & Arpels gelassen wird, betritt auf dem gerade erwähnten Richemont Campus einen imposanten Glasbau. Von außen verrät nur der Markenschriftzug, dass hier stundenlang über Neigungswinkel der Köpfe von Ballettfiguren diskutiert wird. Natürlich in Miniatur auf den Zifferblättern kostbarer Zeitmesser, hergestellt und veredelt von den talentiertesten Handwerkskünstlern ihres Fachs. Etwas mehr als 100 Leute arbeiten hier in Meyrin für den französischen Traditionsjuwelier, der 1906 im Herzen von Paris gegründet wurde. An der mondänen Adresse, 22 Place Vendôme, findet man die Marke heute übrigens immer noch.

Pascal Narbeburu Van Cleef and Arpels
Pascal Narbeburu ist seit 2016 als „Timepieces Director“ für die Uhren von Van Cleef & Arpels verantwortlich

Hausherr mit Weitblick: Pascal Narbeburu, Timepieces Director Van Cleef & Arpels

Um wirklich zu verstehen, wie Van Cleef & Arpels tickt, treffe ich Pascal Narbeburu zum Interview. Als Timepieces Director verantwortet er bereits seit 2016 die Uhrensprarte der Maison und ist hier im Watchmaking Workshop sozusagen der Hausherr. Er gibt uns exklusive Einblicke in die Designsprache und seine Vision für die Zeitmesser der Maison, aber am besten entdecken Sie seine fein formulierten Gedanken gleich selbst.

Als Timepieces Director leiten Sie den gesamten Entwicklungs- und Herstellungsprozess der Uhren von Van Cleef & Arpels. Wie würden Sie die Designsprache der Maison beschreiben?

„Was ich Ihnen sagen kann, ist, wie wir den Designprozess in unserem Haus angehen. Alles beginnt mit der Emotion, die wir transportieren wollen, und wir machen keinerlei Kompromisse auf diesem Weg. Zudem geht es immer um die Details, wenn wir bei Van Cleef & Arpels über Design sprechen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Von Zeit zu Zeit stehen wir in meinem Büro und beugen uns konzentriert über einen Tisch, nur um einen sehr kleinen Kopf einer winzigen Fee zu sehen und jeden Aspekt davon zu analysieren. Ist er zu groß, ist er zu klein? Wie ist der Ausdruck? Die winzig kleinen Details sind also von großer Bedeutung für unseren Designprozess. Außerdem ist da unser CEO Nicola Bos, der das Maximum aus jedem von uns rausholt. Wir lieben diese Herausforderungen, denn sie helfen uns, fokussiert die Geschichte in unseren Kreationen zum Ausdruck zu bringen.“

Die neue Lady Arpels Casse-Noisette
Kunstwerk für das Handgelenk: Die neue Lady Arpels Casse-Noisette

Die Zeitmesser von Van Cleef & Arpels strotzen meist vor mechanischen Finessen und kostbaren Materialien, was uns selbst als Betrachter oft andächtig sprachlos zurücklässt. Was gibt Ihnen und Ihrem Team die Inspiration für die Entwicklung dieser Kunstwerke?

„Bei Van Cleef & Arpels steckt hinter jeder Kreation ein tiefer Sinn und dieser Sinn ergibt sich aus der Geschichte, die wir erzählen wollen. Zweimal im Jahr halten wir deshalb ein großes Meeting ab, bei dem das Marketingteam, unser Designstudio und mein Team über neue Geschichten diskutieren. Dabei gibt es keine Denkverbote und am Ende des Tages liegen etwa 10 verschiedene Geschichten auf dem Tisch. Diese Geschichten werden unserem CEO Nicolas Bos präsentiert, der eine, zwei oder vielleicht auch drei davon auswählt. Von diesem Punkt an geben wir sie an das Designstudio, das sie mit Zeichnungen umsetzt. Mein Team erhält diese Zeichnungen, und wir zwingen uns, die Möglichkeiten des aktuell mechanisch machbaren zu erweitern und immer über den Tellerrand hinauszuschauen. Mein Ziel sind neue technische Lösungen für Emotionen zu finden, die wir unseren Kunden vermitteln möchten. In meiner Abteilung haben Engineering-Prozesse einen hohen Stellenwert, aber alles Beginnt mit der Idee, eine Geschichte zu erzählen und das inspiriert uns.“

Der Watchmaking Workshop von Van Cleef and Arpels
Träume und Emotionen als Schlüsselelemente im Entstehungsprozess der Uhren von Van Cleef & Arpels

Van Cleef & Arpels ist weltweit für seine Haute Joaillerie und ikonischen Kollektionen wie Alhambra bekannt, während die Zeitmesser nach wie vor ein Kenner- und Nischenpublikum anziehen. Wie gehen Sie auf Ihre Uhren-Kunden zu, wenn Sie sie persönlich treffen?

„Wenn wir unsere Kunden treffen, sprechen wir nie über Komplikationen, sondern über den Traum, in einem Theater zu sitzen und die Vorstellung zu sehen. Machen Sie sich dabei Gedanken, was hinter dem Vorhang passiert, auch wenn es sehr komplex ist? Wir sprechen jedenfalls nie über die Komplexität unserer Kreationen, sondern über das Zifferblatt, die Emotionen und die Handwerkskunst, die in dem Stück steckt. Jede unserer poetischen Komplikationen ist einzigartig. Darüber sprechen wir. Wir sprechen über die Atmosphäre in unserer Werkstatt und laden regelmäßig Kunden ein, uns hier in Genf zu besuchen. Manche von ihnen sind zu Tränen gerührt, wenn sie die Perfektion und das Savoir-faire entdecken, die hier jeden Tag gelebt werden.“

Die neue Lady Arpels Jour Nuit
Die Lady Arpels Jour Nuit wurde erst kürzlich auf der Watches & Wonders vorgestellt. Ihrem Namen macht sie mit dem kostbaren Sternenhimmel alle Ehre

Können Sie uns an Ihrer Vision für die Entwicklung der Uhrensparte von VCA in den kommenden Jahren teilhaben lassen?

„Für uns ist es ohnehin notwendig, langfristig zu denken, da wir etwa fünf bis sechs Jahre benötigen, um unsere feinen Kreationen zu entwickeln. Aus diesem Grund haben wir aktuell bereits mit der Arbeit an den Stücken für 2029 und 2030 begonnen. Was die Geschichten angeht, die wir in den kommenden Jahren erzählen wollen, wissen wir, dass wir uns immer wieder neue Materialien, neue Prozesse und viele andere neue Dinge einfallen lassen müssen. Die Arbeit an neuen Komplikationen, die unsere Geschichte auszudrücken, ist deshalb ein ständig stattfindender Prozess in meiner Abteilung. Wie ich es Ihnen zu Beginn unseres Gesprächs gesagt habe, beginnt bei Van Cleef & Arpels alles mit einer Geschichte. Diese Vision werden wir weiter vorantreiben.“

Der Watchmaking Workshop von Van Cleef and Arpels
Die Siegessäule „Colonne Vendôme“ zeigt die Verbundenheit mit dem Gründungsort der Marke auch im Logo

Eigene Einblicke in die Kunst der Emaille von Van Cleef & Arpels 

Um die Kunst der zahlreichen, von Hand emaillierten Zifferblätter zu erleben, ermöglicht uns Van Cleef & Arpels während des Manufaktur-Besuchs einen mehrstündigen Workshop zu dem Thema. Selbstverständlich unter der professionellen Anleitung der Künstlerinnen, die jeden Tag an den Gesichtern der Zeitmesser Hand und Pinsel anlegen.

Der Watchmaking Workshop von Van Cleef and Arpels
Formen und Farben auf diesem Zifferblatt sind zu 100 Prozent in Handarbeit entstanden 

Für uns geht es darum, einen Eindruck von den Herausforderungen der Arbeit in dem Emaille Workshop zu bekommen, wo unendlich präzises Gefühl in der Handbewegung sowie ein jahrelang geschultes Auge für das richtige Maß an Farbe unerlässlich sind. Uns spielt bei dieser, zumindest für mich, bisher einmaligen Erfahrung nicht nur die Expertise, sondern auch die Geduld unserer Instruktorinnen in die Karten.

Die Basis unseres künstlerischen Tageswerks ist ein Schmetterling aus Silber, den wir mit zwei verschiedenen, historische Emaillierungstechniken verzieren sollen. Zum einen die „Champlevé“-Emaille, bei der eine vorgearbeitete Vertiefung mit farbiger Emaille ausgefüllt und anschließend im Ofen eingeschmolzen wird. Zum anderen die filigrane „Plique-à-Jour“-Emaille, auch Fensteremaille genannt, bei der das Auftragen der Farbe ohne Unterlage erfolgt und Licht durch die Emaille scheinen kann. Ich entscheide mich für Grün- und Blautöne und übe das Auftragen der Farbe mit einer feinen Pinselspitze. Schritt für Schritt wird der Schmetterling bunter und wandert mehrmals in den Ofen, um die Emaille einzubrennen. Am Ende sorgen auch helfende Hände der Profis aus dem Workshop dafür, dass das Ergebnis vorzeigbar ausfällt. Was mich hier am meisten fasziniert, ist das Gefühl und die Ruhe in den Handbewegungen, denn während ich einen Silber-Schmetterling in Echtgröße ausmale, werden nebenan detailgetreue Kunstwerke auf Zifferblätter in den Dimensionen einer Münze gemalt. Wenn dieser Einblick in die Welt der Emaille eines geschafft hat, dann den Respekt vor dieser hochfeinen Arbeit auf eine andere Ebene zu heben.

Die Lady Arpels Jour Enchanté
Die neue Lady Arpels Jour Enchanté mit zahlreichen Elementen in lichtdurchlässiger Plique-à-Jour-Emaille

Wo „Poetry of Time“ zum Leben erweckt wird 

Ein Blick hinter die Kulissen der Uhrenmanufaktur von Van Cleef & Arpels ist auch ein Ausflug in die Welt der Ästhetik, der Träume und Emotionen für das Handgelenk. Jedes noch so kleine Detail scheint das Produkt ausgedehnter Forschungs- und Entwicklungsprozesse zu sein, die hinter den verglasten Fassaden des Watchmaking Workshops in Meyrin stattfinden. Die geschicktesten Emaillierungskünstlerinnen der Branche komplettieren hier mit ruhiger Hand und erhabenem Geschick das kunstvolle Design der Zeitmesser. Nicht selten fließen 50 Stunden Arbeit allein in die Emaille-Details eines einzigen Zifferblattes. Das Ganze geschieht in einem Umfeld, das perfekt auf die Bedürfnisse aller abgestimmt scheint, die hier jeden Tag die markeneigene Vision der „Poetry of Time“ zum Leben erwecken.

Wer über diese außergewöhnlichen Zeitmesser nicht nur lesen, sondern sie auch live erleben möchte, hat seit Kurzem eine neue Anlaufstelle für sein Vorhaben. Neben der seit Jahren bestehenden Boutique in München hat Van Cleef & Arpels gerade im Herzen von Wien eröffnet. In bester Lage am Kohlmarkt 3 können Sie meine Gedanken zur Marke mit Ihren eigenen Eindrücken vergleichen. Verzauberung und Faszination nicht ausgeschlossen.

Weitere Informationen zu den Zeitmessern und dem Van Cleef & Arpels Watchmaking Workshop finden Sie hier


Text und Bilder ©David Schank, Watchlounge  • Porträt Pascal Narbeburu ©Van Cleef & Arpels