Was kann man von einem Chrono erwarten, den bei seiner Markteinführung keiner wollte, bis er über eine Zigarettenwerbung zum Schleuderpreis von $88 ein Kassenschlager wurde? Wir sprechen von der Heuer 1163 Viceroy, die noch immer im Schatten der weißblauen Schwester steht, der 1163T aka „Siffert“. Höchste Zeit um etwas Licht ins Dunkle zu bringen.
Wir schreiben das Jahr 1971 und die Zeiten sind schlecht. Zumindest für den Schweizer Uhrenhersteller Heuer-Leonidas. Die USA sind nach Jahren des Wachstums zum stärksten Absatzmarkt für Heuer geworden. 1971 bricht der Umsatz in den Staaten aber um fast 20 Prozent ein. Heuer befindet sich damals zwar an der Spitze der technischen Evolution, aber was nützt der erste Automatik-Chronograph, wenn keiner die Uhren kauft? Heute unvorstellbar, aber zu dieser Zeit werden zum Großteil einfache Stoppuhren und Hand-Chronographen produziert und nachgefragt. Die heute so populären Modellreihen Carrera, Monaco und Autavia gibt es schon seit einigen Jahren. Der Hype darauf blieb damals allerdings aus.
Heuer ist aber nicht die einzige Marke, die Anfang der 70er Jahre Schwierigkeiten hat, ihre Ware an den Mann zu bringen. Der amerikanische Zigarettenhersteller Brown & Williamson hat mit seiner Zweitmarke Viceroy ebenfalls ein Absatzproblem. Viceroy bedeutet eigentlich Vizekönig, die Werbung verspricht allerdings eher eine Volkszigarette, die jedem schmeckt. Das klingt heute nicht besonders originell und konnte auch damals nur wenige Menschen zum Kauf animieren. Damit sollte Schluss sein. Brown & Williamson verfügt schon zu dieser Zeit über einen mächtigen Werbeetat und ist gewillt, seine Zweitmarke Viceroy in die erste Liga zu schießen. Wenn für Marlboro schon damals der verwegene Cowboy durch die Steppe ritt, sollte Viceroy die Zigarettenmarke der Rennfahrer werden. Die Gegenüberstellung von Werbeanzeigen aus den 60er und 70ern macht die unterschiedliche Positionierung der Marke deutlich.
Viceroy macht ernst und wird Sponsor des Pirelli Jones Racing Team, das auch bei dem Kultrennen Indianapolis 500 an den Start geht. Zu diesem Zeitpunkt kommt Heuer ins Spiel. Die Schweizer sind offizieller Zeitnehmer vieler Rennsportveranstaltungen und zwischen Start und Ziel stets präsent. Viceroy schlägt eine gemeinsame Werbekampagne mit einer Automatik Autavia vor. Noch mal zur Erinnerung – Heuer befindet sich mitten in einem Seuchenjahr und verkauft 1971 in den USA weniger als 500 Automatik Chronos. Heuer ist angetan von der Idee und stimmt zu.
Die Kampagne funktioniert folgendermaßen: Wer das Endstück einer Zigarettenschachtel von Viceroy einschickt, bekommt eine Heuer Autavia 1163 für den Dumpingpreis von $88. Wohlgemerkt, der offizielle Verkaufspreis eines Autavia Automatik Chronographen liegt zu dieser Zeit bei $200. Viceroy macht aus dem Sonderpreis keinen Heel und druckt das Angebot zum Start der Kampagne 1972 gleich mit auf die Werbeplakate:
Die offiziellen Heuer Händler sind von der neuen Aktion wenig begeistert. Die Uhren waren vorher schon kein Kassenschlager und werden jetzt für weniger als die Hälfte angeboten. Durch den enormen Werbeetat von Viceroy erreicht die neue Motorsport-Kampagne zudem mehr als 70% aller US-Haushalte. Um die Händler zu beruhigen und um nicht die gleiche Uhr zu völlig unterschiedlichen Preisen anzubieten, nimmt Heuer leichte Veränderungen in der Optik der 1163V vor.
Bisher hatte Heuer zwei Versionen der Autavia mit Automatikwerk im Programm. Zum einen die 1163MH mit schwarzem Zifferblatt und einer Stunden/Minuten-Lünette, zum anderen die 1163T mit weißem Zifferblatt und einer Tachymeterlünette. Die 1163 Viceroy wurde schließlich ein Mix aus beidem. Das Zifferblatt der Uhr ist schwarz, übernimmt aber die durchnummerierte Einteilung Stundenzählers und die Tachymeterlünette der weißen 1163T.
Ein weitere Unterschied sind die Zeiger. Bei der Viceroy-Variante sind sie gebürstet anstatt poliert und mit roten Einsätzen sowie einer roten Spitze versehen. Ansonsten sind die Uhren absolut gleich und einander ebenbürtig. Auch wenn Heuer seinen Händlern die Empfehlung an die Hand gab, die 1163V bei der Kundschaft als billiges Einstiegsmodell zu klassifizieren.
Die Aktion wird zum Riesenerfolg für Heuer und innerhalb von vier Monaten werden fast 4.000 1163V verkauft. Selbst wenn die Kampagne im Endeffekt nicht viel Gewinn abgeworfen hat, war der Werbeeffekt sondergleichen. Denn sogar die offiziellen Händler profitierten von der großen Präsenz der Schweizer und verkaufen vornehmlich die anderen Chronographen-Modelle. Im selben Jahr noch baut Heuer seine Autavia-Kollektion um. Die schwarze 1163MH wird eingestellt und neben der weißen „Siffert“ 1163T wird nun auch die 1163 Viceroy an offizielle Händler geliefert.
Das typische 1163 Gehäuse mit seinem unverkennbaren Oberflächenschliff und 42mm Durchmesser wird die Viceroy nur bis Ende 1972 beheimaten. Heuer stellt auf die größeren 11630 Gehäuse mit Safirglas um und verbraucht über die nächsten Jahre die übrigen Teile aus der Motor-Sport Kampagne mit dem amerikanischen Zigarettenhersteller. Für den erweist sich die ganze Aktion als Flop, für Heuer aber ist es der erhoffte Segen zur richtigen Zeit.
Betrachtet man das Design, ist die Viceroy Uhr unverkennbar ein Kind der 70er. Das Gehäuse ist nicht nur groß sondern auch ziemlich dick. Die Uhr ist am Arm dadurch stets präsent. Der nach außen gewölbte Boden schützt zwar keinen mächtigen Zentralrotor, sorgt aber dafür, dass sich die 1163 angenehm vom Handgelenk abhebt und nicht mit ihrer vollen Größe aufliegt.
Im Inneren der 1163V arbeitet in den meisten Fällen das vergoldete Heuer Kaliber 12 mit Microrotor. Es gibt allerdings auch einige wenige 1163V, die mit dem Kaliber 11 der Siffert Autavia (1163T) die Fabrik verließen. Heuer hat diese damals aber nicht einfach wahllos in der Viceroy verbaut. Den 1163V mit Kaliber 11 wurde ein winziges Dreieck in die Rückseite der Uhr graviert. Was auf den ersten Blick nach einer Macke aussieht, ist deshalb ein wichtiges Detail der Uhr.
Durch die hohe Stückzahl sind auch heute noch viele Autavia 1163 Viceroy auf dem Markt. Die Preise haben sich zwar dem generellen Aufwärtstrend der Marke angepasst, gute Exemplare lassen sich aktuell aber noch zwischen 3.000 und 3.500 Euro finden. Wichtig ist, auf den intakten Gehäuseschliff zu achten. Viele Modelle wurden dilettantisch aufgearbeitet und haben ihre scharfen Tage längst hinter sich. Die hellen Totalisatoren der Zifferblätter sind oft mit verschmutzt. Bis zu einem gewissen Grad geht das aber noch als Patina durch. Sind Drücker ohne die heuertypischen Kerben verbaut oder ist die Lünette stark verschlissen, ist Vorsicht beim Preis geboten. Denn Ersatz ist teuer und die Teilepreise auf dem Vintagemarkt von Heuer steigen aktuell noch schneller als die Preise der Uhren selbst.
David Schank, editor watchlounge.com