CEO-Interview: Niels Eggerding über die Zukunft von Frederique Constant

Wer mit CEO Niels Eggerding hinter die Kulissen von Frederique Constant schauen möchte, findet sich in der Genfer Gemeinde Plan-Les-Ouates wieder. Circa 30 Autominuten sind es bei gemäßigtem Verkehr von der berühmten Wasserfontäne, dem Jet d´Eau, an der innerstädtischen Promenade des Genfer Sees. Die Nachbarn im industriell tickenden Plan-Les-Ouates haben meist schillernde Namen und prächtige Bauten. Rolex, Patek Philippe, Vacheron Constantin und Piaget sind nur einen Steinwurf entfernt. Doch auch angesichts der mächtigen Firmenzentralen auf- und abwärts der Straßen muss sich die 2006 errichtete Manufaktur von Frederique Constant keinesfalls verstecken. Schon gar nicht, seitdem das Gebäude vor vier Jahren umfangreich umgebaut und erweitert wurde.

Die Manufaktur von Frederique Constant in der Genfer Gemeinde „Plan-les-Ouates“.

Auf über 3.200 Quadratmetern und auf vier Etagen werden hier die Zeitmesser der Marke konzipiert und produziert. Im vergangenen Jahr stand zudem das 35. Jubiläum der Marke an und Niels Eggerding wurde vom Geschäftsführer in den Rang des CEO´s erhoben. Seit über 11 Jahren hält der Niederländer der Marke die Treue und kennt sie dank seiner Erfahrung wie kein zweiter. Höchste Zeit, mit ihm über Herausforderungen, Chancen und die Zukunft von Frederique Constant zu sprechen. 

Seit 2023 verantwortet Niels Eggerding die Geschicke von Frederique Constant als CEO. Bereits mehr als 11 Jahre arbeitet er für die Marke. 

Lieber Herr Eggerding, lassen Sie uns doch mit einem kurzen Blick in die Vergangenheit beginnen. Wie lief 2023 nach dem Rekordjahr 2022 für Frederique Constant?

Wir konnten 2023 im Vergleich zum Vorjahr ein zweistelliges Wachstum verzeichnen, was mich sehr freut, zumal es nicht gerade einfach war. Vor allem die Suche und Einarbeitung von Uhrmachern hat uns ein ganzes Jahr gekostet, um unser Team in der Werkmontage zu vervollständigen. Nach erneut zweistelligem Wachstum im Jahr 2023 steht unser Jahr 2024 also ganz im Zeichen der Konsolidierung und der Steigerung der Effizienz in der Herstellung.

In diesem Jahr sind Sie also mehr oder minder vollzählig, was Ihr Wunschteam betrifft. Was würden Sie denn gegenwärtig als größte Herausfordern für Frederique Constant beschreiben?

Unsere größte Aufgabe ist es, die Produktion auf dem höchstmöglichen Level zu halten. Die Nachfrage ist da, die Aufträge sind da, aber in der Vergangenheit konnten wir die Nachfrage nicht immer befriedigen, weil wir zuerst Hindernisse in der Herstellung überwinden mussten. Ein echtes Problem lag im Personalmangel, das andere in den Engpässen unserer Zulieferer.  Diese beiden Faktoren haben unsere Produktion immer wieder gestört, aber wir haben hart gearbeitet und Ende letzten Jahres alles in den Griff bekommen. Dennoch bleibe ich vorsichtig, wenn es um sehr große Aufträge geht, vor allem bei Tourbillons oder Ewigen Kalendern. Es bleibt ein heikler Prozess und wir haben sehr hohe Standards, was die Qualität unserer Uhren betrifft.

Handarbeit nimmt in der Manufaktur von Frederique Constant einen wichtigen Stellenwert ein. Hier im T1 Atelier der Uhrwerke.

Abgesehen von wachsenden Herausforderungen gab es sicher auch Ereignisse, die Sie unlängst im positiven Sinne überrascht haben. Welche sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Ohne Zweifel die starken Verkäufe innerhalb unserer Manufakturkollektion. Wir verkaufen eine Uhr mit Manufakturkaliber öfter als eine Uhr mit einem normalen Quarz- oder Automatikwerk. Diese rasante Entwicklung hätte ich in so kurzer Zeit nicht erwartet. Hierbei muss ich immer an ein Event denken, dass wir im vergangenen Jahr mit Juwelier Verga in Mailand veranstaltet haben. An dem Abend waren bloß 30 Gäste eingeladen, aber wir haben insgesamt 35 Uhren mit Manufaktur-Kaliber verkauft. Tourbillons, World Timer, Ewige Kalender mit Tourbillon. Dafür keine einzige Uhr aus unseren Basis-Kollektionen mit Quarz oder Automatikwerk. Selbst wenn ich mir das heute nochmal anschaue, finde ich es unglaublich. Leute, die auch jetzt noch über genügend finanzielle Mittel verfügen, geben nach wie vor Geld aus und genau diese Leute finden Frederique Constant im Top Level der Kollektion immer attraktiver. Schwieriger ist es aktuell im Preisbereich zwischen 1.000 und 2.000 Euro. Aber stellen Sie sich jetzt vor, dass sich die gesamtwirtschaftliche Situation wieder verbessert, wodurch auch Kunden wieder verstärkt kaufen, die sich in diesem Segment wohlfühlen. Dann sind wir genau da, wo wir hinwollen.

Hohe Kunst der Uhrmacherei: Das Classic Tourbillon von Frederique Constant.

Sie sind also vorsichtig mit zu großen Aufträgen im Manufakturbereich aber dennoch optimistisch, was die Zukunft für Ihre Marke bringt. Was sind denn ihre stärksten Märkte für Ihre hochpreisigen Uhren?

Die drei stärksten Märkte für unsere Uhren mit Manufakturkaliber sind Deutschland, Japan und die Schweiz, allerdings schließen die USA zu dieser Dreiergruppe auf. Kein Wunder, wenn Sie mich fragen, schließlich ist das Verständnis und die Begeisterung für Mechanik und Ingenieurskunst auf dem Top Level in diesen Ländern sehr groß. Genau hier erwarte ich auch in diesem Jahr ein gutes Wachstum, wobei mir in diesem Zusammenhang auch noch ein paar neue Märkte einfallen.

Sie nehmen unsere nächste Frage gleich vorweg. Bitte legen Sie los!

Ich denke hierbei an Südost-Asien, wo wir sehr großes Potenzial sehen, aber auch Taiwan, das sich sehr gut für uns entwickelt. Dazu kommt Indien. Dieses Land ist einfach unglaublich und zeigt ein nahezu unbegrenztes Wachstumspotenzial. In diesen Markt investieren wir schon seit den frühen Nullerjahren und seit 2021 verdoppelt sich unser Geschäft dort quasi jährlich. Deshalb eröffnen wir dieses Jahr in Indien 14 neue POS (points of sale), zusätzlich zu den circa 60 bereits bestehenden, wohlgemerkt. Für uns ist es ein sehr wertvoller Markt, der in den kommenden 10 Jahren weiter stetig wachsen kann. Auch in Saudi-Arabien und dem gesamten Mittleren Osten um Emirate wie Dubai sehen wir ein sehr großes Potenzial, das wir für Frederique Constant entwickeln wollen und werden.

Würden Sie es, mit Blick auf Krisen und Marktschwankungen, als Vorteil bezeichnen, dass Frederique Constant ein überschaubar großes Unternehmen ist, oder planen Sie die maximale Expansion in der Zukunft?

Ich denke schon, dass wir uns leichter anpassen können als viele unserer Mitbewerber. Allerdings wachsen wir stetig und ich kann die Firma nach wie vor mit einem gewissen Start-Up-Spirit führen. Es bringt eine Kultur und einen Geist in die Arbeitswelt, der auf einer sehr hohen Frequenz stattfindet. Entweder man liebt es, oder man hasst es. Ich liebe diesen Rhythmus und solange wir starke Zahlen liefern und unsere Idee von Frederique Constant weiter nach vorne bringen werden, werden Sie mich hier finden.

Wie viele Menschen arbeiten überhaupt in der Genfer Manufaktur in Plan-Les-Ouates für die Marke?

Hier in Genf sind wir ungefähr 150 Leute, weltweit sind es circa 250.

Weltweit arbeiten circa 250 Personen für Frederique Constant.

Was Ihr Vertriebsmodell angeht, setzen Sie noch immer stark auf den stationären Handel mit Multibrand-Retailern statt eigenen Boutiquen. Wie fällt Ihre Zukunftsprognose für dieses Feld aus?

Für einen eigenen Vertrieb mit Boutiquen sind wir schlicht und ergreifend nicht groß genug. Das ist aber auch kein Problem, da unsere Expertise im Bau von Uhren liegt und nicht im Verkauf. Deshalb gehen wir gerne langjährige Partnerschaften mit Juwelieren ein, die zu Frederique Constant passen. Mein Credo lautet: Konzentrieren Sie sich auf das, worin Sie gut sind, und verzetteln Sie sich nicht mit Dingen, die sie zu können glauben, aber nicht tun. Wir haben tolle Setups mit Boutiquen, aber immer in Kombination mit einem Juwelier als Partner vor Ort. Ein angenehmer Nebeneffekt der Boutique-Tendenzen zahlreicher Marken ist übrigens, dass ihr Verschwinden aus dem Multi-Brand-Retail mehr Platz für uns bedeutet.

Ein Bestseller im Retail: Der Classic Worldtimer aus der „Manufacture“ Linie.

Wie läuft eigentlich das Online-Geschäft von Frederique Constant? 

Nach der Corona-Pandemie gab es für Frederique Constant so viel Rückendwind und Nachfrage von unseren Retailern, dass wir uns gegen einen starken Fokus auf das Online-Geschäft entschieden haben. Es bleibt für uns ein wichtiges Werkzeug, um über unsere Marke zu informieren, spannende Geschichten zu erzählen und mehr Aufmerksamkeit zu unseren Händlern zu lenken. Deshalb können Sie unseren High-Watchmaking Uhren auch nicht mehr in unserem Online-Shop kaufen, sondern werden zu dem nächstgelegenen POS geleitet. Sonst ist es den Händlern gegenüber nicht fair. Für mich ist ein auf E-Commerce fokussierter Vertrieb nur dann sinnvoll, wenn man ohne Retailer arbeitet, aber das ist nicht unser Geschäftsmodell.

Sie haben eben verraten, dass Deutschland einer der wichtigsten Absatzmärkte Ihrer Marke ist. Welche Entwicklungen würden Sie hierzulande gerne anstoßen oder beschleunigen?

Ich würde sehr gerne mit Wempe, Bucherer und Rüschenbeck zusammenarbeiten und mir wünschen, dass diese Traditionsjuweliere nicht nur mit den großen Namen ihre Schaufenster schmücken, sondern auch mit uns. Deutschland liegt im internationalen Vergleich des Umsatzes meist auf Platz 5 oder besser und da wollen wir auch hin. Unser Team macht vor Ort einen fantastischen Job, bloß die großen Namen müssen wir für dieses Ziel noch überzeugen. Aber keine Sorge, wir arbeiten daran. 

Das Gespräch führte David Schank. 

Weitere Informationen zur Manufaktur von Frederique Cosntant und zu den Modellen der Marke finden Sie hier


Bilder 1 & 5 ©Frederique Constant • Bilder 2,3,4 & 6 ©David Schank Watchlounge