Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001 im Review

Wir haben ziemlich lange auf die Uhr gewartet, die Grand Seiko während der diesjährigen Watches & Wonders in Genf vorgestellt hat und die es in nahezu alle Best Of´s der Messe geschafft hat. Tentagraph lautet der Name, hinter dem sich der erste Chronograph mit automatischem Aufzug der japanischen Edelmanufaktur verbirgt. Ein hochmodernes hi-beat Werk trifft auf die jüngste Interpretation der Evolution 9 Serie, die der Marke auch außerhalb von Japan große Popularität mit starken Absätzen für Zeitmesser wie der White Birch SLGA009 beschert hat. Nun also der Grand Seiko Tentagraph, dessen Preis gegenwärtig nur wenige hundert Euro unter dem der aktuellen Rolex Daytona in Edelstahl liegt. Was den ersten Automatik-Chronographen der Marke neben selbstbewusster Positionierung und zahlreichen Vorschusslorbeeren ausmacht, haben wir in unserem Review herausgefunden.

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Primus inter Pares: Schnellschwinger mit Ausdauer

Der Grand Seiko Tentagraph hat eine sehr distinkte Optik, die dahintersteckende Technik ist allerdings so wichtig für die Uhr, dass wir unser Review ausnahmsweise mit dem Nerdtalk aus Zahlen und Daten beginnen. Wir starten mit dem Namen, der sich flüssig wie ein gelungener Neologismus liest, in Wahrheit aber ein Akronym der vier technischen Finessen des Zeitmessers ist:

TEN (beats per second)

T (tree days power reserve)

A (automatic)

GRAPH (chronograph)

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Das neue Grand Seiko Kaliber 9SC5: State of the Art

Möglich macht´s das neue hi-beat Kaliber 9SC5 (Basis-Kaliber ist das 9SA5) mit automatischem Aufzug. Es tickt mit rasanten 5 Hertz, die 36.000 Halbschwingungen pro Stunde entsprechen und das Messen von Zehntelsekunden ermöglichen. Daneben sorgen zwei Federhäuser und eine besonders energieeffiziente Hemmung für starke 72 Stunden Gangautonomie, auch wenn der Chrono läuft. Laut Grand Seiko schafft es aktuell kein anderes Modell weit und breit auf diesem Wert, das über einen Schnellschwinger-Automatik-Chronographen verfügt. Uns fällt hierbei spontan die Zenith Chronomaster Sport mit El Primero Kaliber 3600 ein, deren Kraftreserve nach 60 Stunden zu Ende geht. Oder die Parmigiani Fleurier Tonda PF Sport mit Kaliber PF070/6710 mit 65 Stunden Gangautonomie. Wenn Ihnen stichhaltige Gegenbeispiele bekannt sind, schreiben Sie es uns gerne, ansonsten scheint uns dieser Ausdauerrekord von Grand Seiko völlig legitim. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das Kaliber 9SC5 seinen Chrono über ein Säulenrad (auch Schaltrad genannt) mit vertikaler Kupplung steuert. Letztere sorgt dafür, dass die Stoppsekunde beim Betätigen des Start-Drückers ohne Ruckeln anläuft.

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Komfort und Präzision: der Tentagraph am Arm

Gerade in der Uhrenwelt ist Präzision ist ein großes und oft inflationär benutztes Wort, wenn es um die geschmückte Beschreibung der tickenden Zeitmesser für das Handgelenk geht. Dass Grand Seiko zu denen gehört, die abliefern, statt bloß anzukündigen, hat die Marke vor allem in den letzten Jahren mit ihren hochklassigen Werken unter Beweis gestellt. Ganze 20 Tage wird jeder Tentagraph im Grand Seiko Studio in Shizukuishi getestet, Ein- und bei Bedarf Nachreguliert, bevor es zur Auslieferung kommt. Vorausgesetzt, er erfüllt die strengen Vorgaben der maximalen, mittleren Gangabweichung pro Tag. Hier gibt Grand Seiko ein enges Delta zwischen -3 und +5 Sekunden vor und ist damit noch strenger als die Schweizer C.O.S.C. Chronometerprüfung.  Dort wird eine mittlere Gangabweichung von -4 bis +6 Sekunden am Tag über einen Zeitraum von 10 Tagen toleriert.

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Hinter das Thema Präzision können wir also ohne schlechtes Gewissen einen Haken setzen. Hier bewegt sich der Tentagraph auf höchstem Niveau. Kommen wir zum Tragekomfort, wo die richtigen Auswahl von Materialien und Proportionen über Sieg oder Niederlage entscheidet. Gehäuse und Armband bestehen aus leichtem High-Intensity Titan, das sich mit Grade-Five-Titanium vergleichen lässt. Trotz 43,2 mm Durchmesser, 15,3 mm Bauhöhe und 51,5 mm lug-to-lug Distanz bringt der Grand Seiko Chrono bloß 154 Gramm auf die Waage. Die Materialwahl sorgt hier für circa 30 Prozent Gewichtsreduktion im direkten Vergleich zu Edelstahl.

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Die Formsprache des Gehäuses ist auf den ersten Blick erkennbar im Evolution-9-Stil gehalten. Spitz zulaufende Hörner und meist satinierte Oberflächen, die von scharf gezogenen Fasen samt Grand Seiko´s bekannter Zaratsu-Politur getrennt werden. In Summe haben wir es hier mit einem handwerklich hervorragend verarbeiteten Gehäuse zu tun, dessen ergonomische Konstruktion trotz markanter Abmessungen auch an schmalen Handgelenken funktioniert. Nicht ohne Erwähnung, weil stark begrüßenswert, sollen die dezenten Drücker bleiben. Sie sind, vor allem im direkten Vergleich zu vorherigen Spring-Drive-Chronographen, deutlich harmonischer gestaltet und fügen sich in die Silhouette der Uhr ein. Darüber hinaus ist der Tentagraph bis 10 bar wasserdicht und verfügt sowohl auf der Vorder- wie auf der Rückseite über kratzfeste Saphirgläser. Krone und Gehäuseboden sind verschraubt.

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Ein Zifferblatt à la Grand Seiko: der Berg Iwate als Inspiration

Auch bei der Naturverbundenheit der Zifferblätter bleibt sich Grand Seiko treu. So erinnert die dunkelblaue, reliefartige Oberfläche an den Berg Iwate, auf den das Studio Shizukuishi blickt, in dem alle Grand Seiko Uhren mit mechanischem Uhrwerk gefertigt werden. Um die Ablesbarkeit zu maximieren, sind die Indexe appliziert und die Hilfszifferblätter leicht abgesenkt. In dieses Ensemble fügt sich das Datum (color-matching!) zwischen 4 und 5 Uhr nahtlos ein. Sowohl die Zeiger wie auch die Indexe sind mit Lumibrite belegt, um das Ablesen bei Dunkelheit oder schlechten Lichtverhältnissen zu gewährleisten. Um das Zifferblatt herum thront eine Lünette aus Keramik mit gravierter Tachymeter-Skala. Auch sie ist teils poliert, teils satiniert.

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Fazit: Der Grand Seiko Tentagraph

Der Tentagraph ist ohne Zweifel ein großer Wurf. Zum einen schließt der Zeitmesser die lange bestehende Lücke eines Automatik-Chronographen im Portfolio von Grand Seiko. Zum anderen zeigt er die technischen und gestalterischen Möglichkeiten der Manufaktur aus Japan, die seit Jahren auch in Europa immer öfter in spannenden Sammlungen und an zahlreichen Handgelenken zu finden ist. Für den Antrieb sorgt mit dem neuen Kaliber 9SC5 ein echtes Werk der Spitzenklasse: Es schlägt mit 5 Hertz, kann deshalb Zehntelsekunden messen und verfügt mit 72 Stunden über die höchste Gangreserve eines Schnellschwinger-Automatik-Chronographen auf dem Markt. Dazu das markante Gehäuse in erstklassiger Verarbeitung aus leichtem Titan und natürlich ein Zifferblatt, dessen Muster und Oberfläche direkten Bezug zur Natur im heimischen Japan nehmen. Klingt zu gut, um wahr zu sein?

Der Grand Seiko Tentagraph SLGC001

Das Ganze hat natürlich einen Preis, den Grand Seiko aktuell mit 14.300 Euro ansetzt. Letzterer ist gewichtig, aber wenn wir uns das Gesamtpaket aus Optik, Technik und Haptik anschauen, hätten wir selbst wohl auch nicht weniger auf das Preisschild geschrieben. Am Ende bleibt der Tentagraph ein technischer Meilenstein in der Geschichte von Grand Seiko, der fernab des Mainstreams ein Angebot an alle ist, die einen luxuriösen und dennoch sportlichen Chrono suchen.

Weitere Informationen zu Grand Seiko finden Sie auf der Seite der Manufaktur hier

Eine Auswahl der spannendsten Watchlounge Geschichten zu Grand Seiko haben wir hier für Sie zusammengestellt. 


Text & Bilder ©David Schank, Watchlounge