Audemars Piguet Art Director Octavio Garcia im Gespräch mit Watchlounge.com auf der SIHH 2015:

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Watchlounge: Herr Garcia, eines der neuesten Highlights von Audemars Piguet, vorgestellt auf dem SIHH in Genf, ist die Concept Watch RD#1. Waren Sie in die Entwicklung involviert?
Octavio Garcia: Von Anfang an. Die Entwicklung lief über acht Jahre, und das war unser erstes Projekt, bei dem wir auch Institutionen außerhalb der Uhrenbranche hinzugezogen haben, wie die Technische Hochschule Lausanne (EPFL), die sehr viel wissenschaftliches Knowhow einbrachte. Es gibt unglaublich viel Literatur über Minutenrepetitionen, aber das ist alles sehr theoretisch. Durch die Leute von der EPFL und die Musiker, vor allem die Streicher, die uns beraten haben, konnten wir sehr präzise am Klang unseres neuen Werkes arbeiten. Dadurch konnten wir mit den klassischen Materialien der Uhrmacherei, wie Stahl und Messing, die Lautstärke unserer Repetition erhöhen, aber auch den Klang völlig neuartig mastern. Das Ganze, ohne irgendwelche exotischen Legierungen zu kreieren. Wir haben von unseren Beratern gelernt, dass wir Klänge sehr verschieden wahrnehmen. Die neue Technologie ermöglicht es uns, die Klangfarbe zu justieren, wie immer wir wollen. Das ist ein Durchbruch in der Entwicklung, denn in Zukunft können wir für jeden einzelnen Käufer einen maßgeschneiderten Klang anbieten.

Das heißt, Sie können durch die Zusammensetzung der Materialien den Klang individuell variieren?
Wir haben drei Patente auf die Uhr angemeldet, die noch anhängen, so lange kann ich Ihnen leider keine technischen Details verraten.

Wie geht AP damit um, dass andere Marken das Konzept der Royal Oak Offshore Sondereditionen kopiert bzw. auf die Spitze getrieben haben?
Wir haben in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen, um das zu erhalten, was die Royal Oak so einzigartig macht. Wenn Sie eine Uhr haben, die einen derart ikonischen Status erreicht hat, ist es sehr wichtig, zu verstehen, worauf dieser ikonische Status beruht. Einer der Gründe ist natürlich die DNA der Royal Oak, also alles, was sie wiedererkennbar macht. Natürlich waren auch wir in Versuchung, zu experimentieren. Aber trotz der Tatsache, dass es viele Kopierversuche gibt, und dass natürlich auch andere Brands versuchen, auf genau diesem Markt Land zu gewinnen, war ich immer überzeugt, dass wir die Royal Oak so authentisch lassen müssen wie 1972.

Authentisch in welcher Hinsicht?
Das heißt authentisch sowohl, was das Technische angeht, als auch in Bezug auf unsere herausragende Erfahrung im Finishing. Das sind die Bereiche, in denen wir über einen hohen Wiedererkennungswert und über eine große Unterscheidungskraft verfügen. Es geht um uhrmacherische Inhalte. Die Magie liegt in den Inhalten und ist für die Unterscheidung von denen, die uns nachmachen, wichtiger als das Design. Ich glaube, und daran werden wir in Zukunft stark arbeiten, dass relevante Komplikationen für den modernen Träger unseren Ikonen echten Mehrwert verschaffen.

Bedeutet das für die Zukunft noch mehr Special Editions?
Special Editions sind wichtig, sie frischen die Kollektion auf, und sie bringen uns dazu, neue Materialien zu entdecken und zu experimentieren. Aber das Herz der Kollektion muss seine Wiedererkennbarkeit behalten, das heißt technisch und in Bezug auf die Komplikationen, vor allem mittelschwere Komplikationen.

Gilt das auch für die Offshore?
Bei der Offshore ist das etwas anders. Die Offshore ist ein Produkt, sagen wir aus der Kategorie „Schau niemals zurück“. Die ROO bietet uns eine Plattform für Innovationen, von der aus wir dann einen Durchsickereffekt haben: Wenn wir beispielsweise mit Karbonfasern oder Keramik experimentieren, bringen wir es handwerklich zunächst einmal auf das hohe Niveau von Audemars Piguet, bevor wir es dann in diversen Bereichen einsetzen. Das unterscheidet uns eben auch. Der Kunde sieht bei uns, dass wir die Materialien bis zu absoluten Perfektion bearbeiten, bevor wir sie einsetzen.

Planen Sie eine weitere Belebung der klassischen Royal Oak wie z.B. mit der 15202?
Die 15202 ist ja fast ein Museumsstück in der Royal Oak Kollektion. Trotz der Tatsache, dass wir beschlossen haben, sie bei 39 mm zu belassen, und das Kaliber 2120 zu behalten, das ja schon ein historisches Kaliber ist, hat sich die Uhr technisch natürlich entwickelt, zum Beispiel was die Toleranzen angeht. Wir haben auch an den Proportionen gearbeitet, es gibt sehr viele verschiedene Referenzen. Die 15202 wird eines der Spitzenmodelle der Royal Oak Kollektion bleiben.

Hat Audemars Piguet die Dominanz der Royal Oak Linien akzeptiert oder gibt es Ideen, weitere Linien quasi als Ausgleich zu entwickeln? Das hat ja mit der Millenary nicht so gut funktioniert – vielleicht ist es an der Zeit, einen neuen Versuch zu starten? Es muss ja nicht gleich die neue Royal Oak sein, aber vielleicht ein „kleiner Bruder“?
Gute Frage. Die Antwort ist etwas komplexer. In früheren Jahren hat sich das Unternehmen stark auf die Produkt-Kommunikation konzentriert. Das heißt, wir haben unsere Neuheiten beworben. Und das war natürlich meist die Royal Oak. Das war damals richtig, und gut für uns, weil wir wachsen konnten, und auch die Loyalität gegenüber unserem Produkt verstärken konnten. Auf der anderen Seite hat die Royal Oak dadurch die Marke überschattet. In gewisser Weise ist die Royal Oak bekannter als Audemars Piguet. Deshalb haben wir schon 2010 diverse Projekte gestartet, um die Marke wieder mehr zu beleben. Ziel war, die Geschichte von Audemars Piguet wieder zutage zu fördern. Und eine Botschaft zu kreieren, die das ganze Unternehmen umspannt und uns erlaubt, auch andere Kollektionen wie die Millenary ins Rampenlicht zu stellen. Und es erlaubt uns natürlich auch, mit einem anderen Publikum ins Gespräch zu kommen, nicht nur mit der Royal Oak oder Offshore Zielgruppe. Vor allem mit den Frauen, denn da liegt ein ganz wichtiger Markt. Ich finde, Frauen haben auch ein Recht auf ikonische Zeitmesser.

Also vielleicht doch bald eine neue Range?
Wenn wir diese Neupositionierung in die Herzen unserer Kunden transportiert haben, dann können wir vielleicht über eine neue Range nachdenken. Wenn wir das zu früh machen, wird es immer einen Konflikt geben zwischen unserem Champion und den neuen Produkten. Außerdem haben wir ja schon eine ziemlich reiche Kollektion: Royal Oak, Royal Oak Offshore, Millenary, Jules Audemars, das ist schon eine Menge zu kommunizieren. Deshalb sehe ich in der nahen Zukunft auch keinen Platz für eine neue Range.

Gibt es in Zukunft mal ein eigenes Chronographen-Kaliber oder wird weiter gesandwicht bzw. das Datum dadurch getunnelt?
Wow. Das tut weh. Manche Leute vergessen, dass wir schon einige der schönsten Chronographenkaliber inhouse produzieren. Wenn auch nicht in unseren Bestsellern. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel einen Chronographen-Tourbillon gelauncht, der ein 100 Prozent bei uns gebautes Werk hat. Es stimmt, dass wir bei der Offshore derzeit mit einem Modul arbeiten, was Sie wahrscheinlich mit Sandwich meinen. Aber wir arbeiten gerade an einer kompletten Inhouse-Lösung. Dafür kann ich Ihnen aber noch kein Datum nennen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen dem von Audemars Piguet verwendeten Karbon und dem anderer Hersteller?
Unseres ist besser. Wir sind nahezu die Einzigen, die massives Karbon verwenden. Die meisten Brands verwenden Karbon als eine Beschichtung, also als Dekoration, wir aber als massiven Werkstoff, zum Beispiel fürs Gehäuse. Unser Karbon ist nicht einfach eine Schicht, sondern geformt, gepresst und gebrannt. Das gibt ihm seine spezifischen Eigenschaften, wie das Gewicht, und die Robustheit. Durch das Pressen und Brennen holen wir auch das Harz aus dem Karbon heraus, so dass es reiner und leichter wird. Außerdem produzieren wir unser Karbon komplett in unserem eigenen Atelier, das ist auch einzigartig. Dadurch konnten wir Karbon auch zu einem Standardwerkstoff bei uns machen, bei der Offshore ist es ja auch einer unserer Bestseller.

Mittlerweile bauen viele Hersteller Uhren aus Karbon. Trotzdem ist das Material bei einigen Sammlern nicht sehr beliebt. Handelt es sich um einen Hype und was können Sie über die Langlebigkeit des Materials sagen? Ist eine Karbon-Uhr nach 100 Jahren noch so schön und unzerbrechlich wie eine Stahluhr?
Nein. Karbon ist ein High Performance Material mit Vor- und Nachteilen: es ist leichter, es hat eine besondere Ästhetik. Es ist auch robust, aber wir hatten Experimente, die uns genau gelehrt haben, wo wir es gut einsetzen können, und wo besser nicht. Wir werden zum Beispiel kein Karbon mehr auf der Lünette einsetzen. Für die Lünette nehmen wir Keramik. Bei Karbon-Zeitmessern werden Sie also immer auch Teile aus Keramik sehen. Keramik ist viel härter. Die Lünette einer Uhr muss die meisten Schocks aushalten, deshalb setzen wir da kein Karbon mehr ein. Und wir tauschen bei Kunden, die noch Karbonlünetten haben, unkompliziert und schnell gegen Keramiklünetten aus.

Und was sagen Sie zum Thema Hype?
Ich verstehe, dass Karbon nicht jedem gefällt. Aber wir sind ein modernes Unternehmen. Wir riskieren auch mal etwas, und in diesen Rahmen passt Karbon perfekt. Es ist nicht für jeden. Wir haben immer noch Edelmetall, wir haben immer noch Stahl. Karbon ist eine Ergänzung unserer Material-Range. Natürlich werden auch neue Materialien dazukommen, aber so wie Stahl seit 1972 zu unserer Range gehört, ist auch Karbon mittlerweile aus unserer Kernkollektion nicht mehr wegzudenken.

Müssen Sie als Designer eigentlich auch fast ein Uhrmacher sein, um die Machbarkeit im Kopf zu haben?
Nein. Natürlich brauchen wir ein solides Grundwissen, aber unsere besten Uhrmacher haben 40 Jahre Erfahrung. Das können wir nicht alles im Kopf haben, das ist unmöglich.

Inwiefern wird Ihrer Meinung nach die Weiterentwicklung der Smartwatches den Markt der Luxusuhren beeinträchtigen? Kommt eine neue Krise auf die mechanische Uhrenindustrie zu, wie damals zur Zeit der Quarzkrise?
Nein, das beunruhigt uns gar nicht. Die Feinuhrmacherei hat einzigartige Kriterien und Kernkompetenzen. Denen müssen wir treu bleiben, und sie weiter kultivieren. Die Leute, die unsere Produkte lieben und uns die Treue halten, wissen ja genau diese Kompetenzen zu schätzen, sie eint die Faszination für unser Handwerk und für die Mikromechanik.

Könnte die Integration der elektronischen Funktionen einer Smartwatch ins Armband einer mechanischen Uhr die eventuelle Gefahr bannen? Montblanc arbeitet ja schon an einer Lösung. Was ist von AP zu erwarten? Die breiten Kautschukbänder der neuen Offshore-Serie bieten sich ja geradezu für solche Experimente an.
Ich habe das neue e-Strap von Montblanc noch nicht gesehen. Natürlich halten wir die Augen offen und finden das ein interessantes Thema. Aber nicht so sehr für uns. Es gibt für uns andere Themen, die wir vorantreiben wollen, wie die RD#1. Was nicht heißt, dass für die Smartwatch kein Platz ist. Wir haben ja zwei Handgelenke.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Garcia.

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