Vacheron Constantin´s Style & Heritage Director Christian Selmoni im Interview

Vacheron Constantin zählt zu den großen Gewinnern des Boom-Jahres der Uhrenindustrie 2022. Gestiegene Umsätze, mehr Visibilität durch neue Boutiquen und eine spürbar wachsende Wahrnehmbarkeit bei Sammlern haben der Traditionsmanufaktur mächtig Auftrieb verliehen. Gerade weil Vacheron Constantin die eigenen Zahlen nicht öffentlich kommuniziert oder kommentiert, haben wir über den Status Quo und die Zukunft der Marke mit jemanden gesprochen, der es wissen muss: Christian Selmoni, seines Zeichens Style & Heritage Director des Hauses. Er ist bereits seit 1990 an Bord, kennt jede Schraube im Unternehmen und ist die erste Adresse, wenn es um die Brücke zwischen Past, Present und Future geht. 

Vacheron Constantin Style Director Christian Selmoni
Markentreu: Christian Selmoni steht seit 1990 in Diensten von Vacheron Constantin

Herr Selmoni, die Neuheiten dieses Jahres von Vacheron Constantin konzentrieren sich stark auf die retrograde Darstellung als Komplikation. Welche ist Ihr persönlicher Favorit und warum ist dieses Feature für die Marke so wichtig?

Unser Ziel war, zu zeigen, dass wir die anspruchsvolle Technik der retrograden Anzeige in verschiedenen Kollektionen und verschiedenen Designs anbieten können, was uns auch gelungen ist. Hierbei zählt die Traditionnelle Tourbillon retrograde Datumsanzeige Openface zu meinen absoluten Favoriten. Warum? Weil sie ist einfach eine spektakuläre Grand Complication ist. Was mich ebenfalls sehr anspricht, ist die neue Overseas Mondphase retrograde Datumsanzeige, da sie eine so unerwartete Kombination aus Technik und sportlich-elegantem Design liefert. Zudem ist sie die erste Sportuhr überhaupt, die über eine retrograde 31-Tage-Anzeige verfügt. Ein Zeitmesser für jeden Anlass. Denken Sie hier auch an die Overseas Tourbillon, die wir 2019 vorgestellt haben. Es ist die gleiche Idee.

Die neue Traditionnelle Tourbillon retrograde Datumsanzeige Openface
Haute Horlogerie at its best: Die neue Traditionnelle Tourbillon retrograde Datumsanzeige Openface

Wenn man an Vacheron Constantin denkt, hat man in der Regel die Overseas im Kopf, zumindest wenn einen in den letzten 3 Jahren die Uhrenleidenschaft gepackt hat und mandie stetig steigende Nachfrage nach Overseas-Modellen gesehen hat. Nichtsdestotrotz gibt es ein riesiges Portfolio atemberaubender Zeitmesser, die die DNA der Marke noch stärker verkörpern. Wie wichtig ist das Gleichgewicht im Gesamtportfolio, und wie sorgen Sie dafür, dass die Overseas nicht andere Teile der Kollektion in den Schatten stellt? 

Sie sprechen etwas an, was für uns sehr wichtig ist. Der größte Teil unserer Kollektion sind klassische Uhren wie Patrimony, Traditionnelle und ich würde auch die Fiftysix dazuzählen. Nichtsdestotrotz sehen wir die steigende Popularität der Overseas Kollektion. Aus diesem Grund beobachten und kontrollieren wir ihre Rolle in unserem Portfolio mit großer Sorgfalt, da wir keine Marke werden möchten, die nur auf ein Produkt reduziert werden kann. Auch in Zukunft werden wir immer Uhren verschiedenster Ausdrucksformen bauen und damit die Vielfalt in unserer Kollektion erhalten.

Sammlerobjekt in spe: Die neue Overseas Mondphase retrograde Datumsanzeige

Viele Schweizer Luxusmarken rücken ihr starkes Engagement für Nachhaltigkeit in ihren Produktionsstätten, Verpackung oder Armbändern in den Fokus. Wir sind uns dagegen nicht so sicher, ob eine Traditionnelle Tourbillon in absehbarer Zeit mit einer recycelten Box und einem Armband aus recycelten Fischernetzen ausgeliefert wird. Wie ernst nehmen Sie das Thema Nachhaltigkeit bei Vacheron Constantin? 

Wir nehmen das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst. Bei Vacheron Constantin haben wir eine eigene Abteilung dafür, weil es eines der wichtigsten Themen im gesamten Unternehmen ist. Es mag von außen nicht sehr sichtbar sein, denn wir nutzen unsere Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit nicht als Marketinginstrument. Wir handeln eher, als dass wir darüber sprechen. Ein ganz konkretes Beispiel ist unser Vintage Uhren Programm „Les Collectioneurs“. Hier kaufen wir historische Vacheron Constantin Uhren auf dem Sekundärmarkt zurück, restaurieren sie und bieten sie anschließend mit zwei Jahren Garantie zum Verkauf an, was für mich ein sehr starkes Statement in Sachen Nachhaltigkeit ist.

Die Manufaktur von Vacheron Constantin in Genf
Die Manufaktur von Vacheron Constantin in Genf

Da Sie Ihre Aktivitäten im Bereich der Vintage-Uhren erwähnen, spüren Sie hier eine wachsende Nachfrage seitens der Sammler? 

Absolut und wir alle wissen, dass der Vintage-Trend gerade erst Fahrt aufnimmt. Mit „Les Collectioneurs“ haben wir ein großartiges Instrument, um unser Know-how, unsere Archive und unsere Geschichte zu präsentieren. Deshalb wählen wir die Uhren, die wir über diese Plattform anbieten akribisch aus, um die Qualität dieser historischen Zeitmesser auf höchstem Niveau zu halten. Ich bin mir sicher, dass dieses Thema in Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird.

Einige der Neuheiten, die Sie in diesem Jahr vorstellen, werden exklusiv in Vacheron Constantin-Boutiquen erhältlich sein, was wir als Trend unter den Luxusmarken der Richemont-Gruppe beobachten. Was ist in Ihren Augen der entscheidende Vorteil der direkten Ansprache des Kunden?

Es stimmt, dass wir nach und nach vom Einzelhandel und Multibrand-Retail zu unserem eigenen Boutique-Konzept übergegangen sind. Hier haben wir einen deutlich besseren Überblick hinsichtlich der Verteilung der Uhren, die wir produzieren. Denn neben der bestmöglichen Behandlung unserer Kundeneiner liegt der Hauptvorteil unserer Boutiquen in dem Preisschutz beim Erstverkauf, der sowohl unseren Kunden wie auch uns selbst zugute kommt.

Vacheron Constantin konzentriert sich in Zukunft stärker auf eigene Boutiquen

Die Generation Z und die Frage, wie man mit der nach 2000 geborenen Generation erfolgreich interagieren kann, ist seit Jahren in aller Munde. Sie werden oft als kantige Digital Natives mit hohem Bewusstsein für Nachhaltigkeit und starker Affinität zu E-Commerce beschrieben. Wie bleibt man Ihrer Meinung nach für diese Generation relevant?

Für mich ist Authentizität das wichtigste Tool, um auch in Zukunft zu bestehen. Wenn man seinen Kunden nichts vormacht, wenn man nicht einfach die Vergangenheit mit etwas Modernem repliziert und nicht seine Mitbewerber kopiert, hat man alle Werkzeuge in der Hand, um relevant zu bleiben. Die neue Generation schätzt in meinen Augen auch die Handwerkskunst, denn in einer immer stärker digitalisierten Welt dürfen wir nicht vergessen, dass wir am Ende vom Tag immer noch Menschen sind. Deshalb glaube ich fest daran, dass mechanische Uhren für die kommenden Generationen sehr wichtig sind, denn sie erzeugen Emotionen, sie sprechen unser Herz und unsere Seele an. Solange unsere Uhren auch in Zukunft für Werte wie Authentizität, höchste Handwerkskunst und Langlebigkeit stehen, mache ich mir keine Sorgen. 

Das Gespräch führte David Schank.

Weitere Informationen zu Vacheron Constantin finden Sie auf der Seite der Manufaktur hier


Bild 1 ©Vacheron Constantin • Bilder 2 – 5 ©David Schank, Watchlounge