Tudor: Die Black Bay Fifty-Eight im Tragebuch

Legenden reifen langsam und zeigen sich erst den Geduldigen in voller Pracht. Eine Regel, die nicht nur für Französische Grand Crus sondern auch für Schweizer Uhren zu gelten scheint. Zumindest wenn man die endlosen Wartelisten heutiger Ikonen mit der oft spärlichen Begeisterung zum Zeitpunkt ihrer Lancierung vergleicht, in den 1960er und 1970er Jahren wohlgemerkt. Dass der Hype nicht nur dem alten Eisen vorbehalten ist, zeigt Tudor mit der Black Bay Fifty-Eight, einer historisch inspirierten Taucheruhr modernster Bauart, die trotz junger Geschichte bereits heute wie ein echter Klassiker wirkt. Doch wird der Zeitmesser den zahlreichen Lobgesängen wirklich gerecht? Während zwei intensiver Wochen mit der Fifty-Eight am Handgelenk haben wir es herausgefunden. 

Die Tudor Black Bay Fifty-Eight

Die Optik: Inspiration aus 19-Fifty-Eight  

Wer die Black Bay Fifty-Eight zum ersten Mal betrachtet, sieht eine robust wirkende Sportuhr mit aufgeräumtem Zifferblatt und unübersehbaren Verbindungen zum Tauchen. Zweifelsohne zutreffend, aber ungefähr so, als würde man den neuesten 911 als schneidigen Sportwagen mit gefälliger Linienführung und historischer Verbindung zum Motorsport beschreiben. Denn ganz gleich, ob man aus der Perspektive des Fahrersitzes schreibt oder das Handgelenk in den Fokus nimmt, die Spannung liegt immer in den Details. Wer also die Besonderheiten dieser Tudor entschlüsseln möchte, muss in die Geschichte der Marke eintauchen. 

Die Tudor 7924 im Vergleich zur Fifty-Eight

Bereits im Jahr 1958 bringt Tudor eine Taucheruhr auf den Markt, die mit einer damals enormen Wasserdichtigkeit bis 200 Meter überrascht. Zudem fällt das Modell mit Referenz 7924 durch seine besonders große Krone auf, die auch mit Handschuhen bedient werden kann und ihm den Sammlernamen „Big Crown“ einbringt. Eine echte Toolwatch, die dem Credo von Firmengründer Hans Wilsdorf folgt, wonach eine Tudor weniger kosten soll als eine Rolex, aber die gleiche Zuverlässigkeit liefern muss. Viele Designmerkmale der 7924 wurden über die Jahre zu Klassikern, weshalb vor zwei Jahren, pünktlich zum 60. Jubiläum, die Black Bay Fifty-Eight als moderne Interpretation präsentiert wurde, die viele bedeutsame Stilmerkmale der Vintage-Ikone aufgreift. 

Die Tudor Black Bay Fifty-Eight

Das schwarze Zifferblatt mit seiner matten Oberfläche verlässt sich auf die charakteristischen Indexe in Kreis-, Balken und Dreiecksform. Goldene Schriftzüge erinnern ebenfalls an die historische 7924 wie auch die großzügige Auskleidung von Indexen und Zeigern mit Leuchtmasse. Allerdings wurde in den 1950ern noch Radium verwendet, wohingegen heute Superluminova frei von schädlicher Strahlenbelastung zum Einsatz kommt. Der Zweck war gleichwohl der selbe: Eine Taucheruhr von Tudor muss auch in totaler Finsternis und unter Wasser gut ablesbar sein. Ebenfalls wichtig für die Ablesbarkeit sind die rotgoldenen Zeiger, die ihre kantige Form der Referenz 7016 aus dem Jahr 1969 verdanken. Sammler sprechen hierbei von Snowflake-Zeigern, die bereits vor Jahren Einzug in die Black Bay Kollektion erhalten haben. 

Das Gehäuse mit großer Krone

Die Haptik: Black Bay trifft nostalgische Proportionen

Durch ihre nostalgischen Proportionen wirkt die Fifty-Eight auch an schmalen Handgelenken nicht überdimensioniert, was man nicht von allen Modellen der Black Bay Serie sagen kann. Mit 39 mm im Durchmesser ist ihre Größe an die der historischen 7924 angelehnt. Ebenfalls ohne Kronenschutz aber mit Big Crown nimmt die vielleicht begehrteste Uhr der aktuellen Tudor Kollektion auf dem Handrücken Platz. Dort könnte sie mühelos in Tiefen bis 200 Meter tauchen und dank ihrer einseitig drehbaren Lünette auch die maximale Restzeit unter Wasser anzeigen. Ihre Lünette mit dem roten Dreieck unter der Leuchtperle hat im Übrigen ebenfalls einen historischen Bezug. „Red Triangle“ nennen Sammler diese besonders seltene Ausführung des eloxierten Aluminiumrings aus den 1950er Jahren, der heute problemlos für fünfstellige Summen den Besitzer wechselt. 

Die Tudor Black Bay Fifty-Eight

Ebenfalls an die frühen Tudor Diver angelehnt ist das abwechselnd satinierte und polierte Oberflächenfinish des Gehäuses. Die breiten Fasen zwischen Hörnern und Flanken erinnern jeden Vintage-Connaisseur an die Schönheit unpolierter Gehäuse aus dieser Pionierzeit der Taucheruhren. Optisch nostalgisch aber technisch modern ist auch das Stahlarmband der Fifty-Eight. Massiv gefertigt deutet es die Nieten an, die früher den Zusammenhalt der einzelnen Bandelemente gesichert haben. Heute herrscht fester Sitz statt stetem Klackern, das die Bänder von vor 60 Jahren auch akustisch wahrnehmbar machte. 

Die Tudor Black Bay Fifty-Eight

Neben dieser ausgesprochen reizvollen Verbindung eines Bandes mit historischem Vorbild und modernster Bauart bietet Tudor die Black Bay Fifty-Eight auch mit einem ganz besonderen Textilarmband an. Farblich greift es das Schwarz des Zifferblattes genauso auf wie das Rotgold der Schriftzüge und Zeiger auf. Am Handgelenk überzeugt es durch absolut erstklassigen Tragekomfort und anatomische Anschmiegsamkeit vom ersten Tragen an. Nachdem wir im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts viele hundert Textil-Straps für Uhren in der Hand und am Arm hatten, kann dieses edle Exponat ohne Scheu als Primus unter den gewebten Bändern bezeichnet werden. Mithilfe der Jacquardtechnik wird es nach traditionellen Methoden von einem über 150 Jahre alten Familienunternehmen aus Frankreich produziert. Den größten Haptik-Vorteil der Fifty-Eight begründet allerdings ihr Manufakturkaliber. 

Das Tudor Kaliber MT5402Die Technik: Hoch greifen und flach bauen  

Hinter einer Wand aus verschraubtem Edelstahl arbeitet das Kaliber MT5402. Es gehört, nach dem Kaliber MT5612 der Pelagos aus dem Jahr 2015, zur zweiten Generation der Manufaktur-Kaliber von Tudor und bietet neben automatischem Aufzug bis zu 70 Stunden Gangreserve. Der größte Vorteil dürfte allerdings in der geringen Bauhöhe von bloß 4,99 mm liegen. Dadurch wird eine Gehäusekonstruktion ermöglicht, die mit 11,9 mm Gesamthöhe deutlich unter der aller anderen Black Bay Modelle liegt, was dem Tragen der Uhr eine entspannte Selbstverständlichkeit beschert. Außerdem verfügt das Kaliber MT5402 über eine Spiralfeder aus antimagnetischem Silizium, was für den Erhalt der Ganggenauigkeit sehr wichtig ist. In der Preisklasse unter 3.500 Euro sind solche Hightech-Komponenten eigentlich nicht zu finden. Noch seltener in der Kombination mit einem Zertifikat der C.O.S.C. als schweizer Chronometer für Präzision und Zuverlässigkeit beim Tragen. 

Wristshot mit Textilband

Fazit: Tudor Black Bay Fifty-Eight 

Die Tudor Black Bay Fifty-Eight hat sich in kürzester Zeit den Rang eines Klassikers unter den Taucheruhren erarbeitet. Wofür Andere Generationen benötigten, hat das 39 mm große Exponat mit dem Tudor-Schild als Logo innerhalb von zwei Jahren geschafft. Bei offiziellen Fachhändlern ist das Modell nur in den seltensten Fällen ohne Wartezeit zu bekommen und dafür gibt es gute Gründe, die wie wir während unseres zweiwöchigen Tragebuches herausgefunden haben. Optisch greift die Fifty-Eight viele Designmerkmale der 1950er, -60er und -70er auf, die sofort eine Verbindung zu den Ikonen der Taucheruhren von Tudor aufbauen. Neben Snowflake Zeigern, goldener Schrift und markanter Big Crown überzeugt die Uhr mit nostalgischen Proportionen, die die Uhr sowohl an Männer- wie auch Frauenhandgelenken stimmig aussehen lässt. 

Wristshot der Black Bay Fifty-Eight

Mit dem Stahl- oder Textilarmband lässt sich die Fifty-Eight jedenfalls sicher und bequem tragen. Vor allem die geringe Bauhöhe als Resultat des Manufakturkalibers MT5402 lässt diese Black Bay aus dem Tauchuhrenportfolio von Tudor herausstechen. Zudem ist das Werk nicht nur chronometerzertifiziert sondern auch mit Hightech-Komponenten wie einer Spiralfeder aus Silizium ausgestattet. So wirkt die Black Bay Fifty-Eight wie eine stimmungsvolle Kombination aus dem Schönsten von damals und dem Besten von heute. Da dieses Zusammenspiel aus nostalgischer Optik und modernster Technik für 3.430 Euro am Stahlband überraschend preiswert ausfällt, wirkt der Hype um die Fifty-Eight wie eine logische Konsequenz vieler richtiger Entscheidungen, die bei der Planung, Produktion und Positionierung dieses Zeitmessers getroffen wurden. 

Weite Informationen zu Modell und Marke finden Sie auf der Seite von Tudor.


Text & Bilder (1,3,4,5,6,8,9): © David Schank, Watchlounge • Bilder (2 & 7) © Montres Tudor SA