Er ist einer der kreativsten Uhrmacher der Gegenwart. Auch wenn Roger Dubuis das Zepter seines erst zwanzigjährigen Imperiums schon vor einiger Zeit an andere weitergegeben hat: Der Spirit und die Genialität des 78-Jährigen beflügeln auch seine Nachfolger und machen die Zeitmesser der Marke zu Sammlerstücken, von denen jedes einzelne höchste Uhrmacherkunst und außergewöhnliches Design in sich vereint. Ich durfte den legendären Genfer Horloger im Vorfeld des SIHH zum Gespräch treffen.

Roger Dubuis: Uhrmacher-Legende und ein unglaublich sympathischer Mann
Roger Dubuis: Uhrmacher-Legende und ein unglaublich sympathischer Mann.

Monsieur Dubuis, vor genau 20 Jahren haben Sie in Genf Ihr Unternehmen gegründet. Was ist der größte Unterschied zwischen einer Manufaktur, die 1995 ins Leben gerufen wurde, und einer, deren Wurzeln im 19. Jahrhundert liegen? 

Ich sehe da keinen großen Unterschied. Die Probleme am Anfang sind immer die gleichen: Sich zu entscheiden, etwas zu erschaffen, das ist etwas sehr Persönliches. Dann: Sich ein Ziel zu setzen. Sie sprechen von einer Manufaktur. Ich habe nicht gleich mit der Manufaktur angefangen. Man muss ja erst einmal zeigen, was man kann. Ich brauchte drei Jahre dafür. 1998 habe ich ein technisches Büro gefunden, das mir die Werke nach meinen Vorstellungen angefertigt hat, sodass wir 80 Prozent der Produktion im Haus machen konnten. Vorher hatte ich Werke gekauft und bearbeitet. Ich wollte unbedingt das Genfer Siegel haben. Von Anfang an. Für alle meine Uhren. Ich habe also meinen Anspruch an mein Produkt sofort hoch gelegt. Sogar sehr hoch: Denn es war klar, dass ich, wenn ich das Siegel bekäme, direkt in der oberen Preisklasse angekommen wäre. Aber es gibt vielleicht eine Sache, die heute anders ist. Man hat viel bessere Produktionsmöglichkeiten als vor 200 Jahren. Die Maschinen haben eine solche Entwicklung gemacht! Früher, als es noch keine Elektroerosion gab, konnten wir die feinen Komponenten nicht so präzise arbeiten wie heute. Eine Abweichung von einem Hundertstel bei einem Teil für einen Ewigen Kalender zum Beispiel, das ist eine Katastrophe.

Sie waren lange bei Patek Philippe, haben einige altehrwürdige Manufakturen von innen gesehen. 

Nur weil eine Manufaktur 1839 oder 1775 gegründet wurde, ist sie nicht per se erfolgreich. Die Menschen haben sich geändert. Viel Wissen ist verloren gegangen. Erneuerung braucht es immer wieder. Ich würde sogar sagen: Die Vorgeschichte macht nicht den Erfolg. Erinnern wir uns an die Quarz-Ära: Wir bekamen es alle mit der Angst. Viele gaben die Mechanik auf, wir dachten, alle unsere Werte würden verlorengehen. Doch dann haben sich einige Junge engagiert, und mir wurde klar, dass die Natur immer wieder solche Talente hervorbringt. Das ist das Unglaubliche: Es gibt junge Leute, viel jünger als ich, die wahre Künstler sind. Sie brauchten keine Vorgeschichte von 50 Jahren oder mehr. Es ist ihnen einfach gegeben. Alles regelt sich. Deswegen mache ich mir keine Sorgen mehr, ich bin viel optimistischer als früher, da machte ich mir wesentlich mehr Sorgen.

Was war denn dann Ihre größte Herausforderung im Jahr 1995? 

Natürlich hatten wir auch mal Probleme mit der Mechanik, oder zwischenmenschliche Reibereien, aber das war nie unüberwindbar, c’est la vie.

Verraten Sie uns, wie viele Schweizer Franken Sie am Anfang hatten? 

Keinen. Wir mussten einen Financier suchen, ihn überzeugen. Wir waren zu viert: zwei Uhrmacher, zwei Geschäftsleute. Irgendwann waren wir dann 300 Leute, und als wir 2008 verkauft haben, noch immer über 200. Als Richemont uns kaufte, musste noch einmal abgespeckt werden, aber das Gute an einem Konzern ist, dass unsere Leute auf andere Marken verteilt werden konnten. Das war sehr erleichternd für uns.

Wie war denn die Stimmung in der Uhrenbranche Mitte der 90er-Jahre? Gab es noch Nachwehen des Quarz-Fiaskos? 

Auf jeden Fall. Es gab zwei Aspekte: Erstens wussten wir, dass viel Knowhow verloren gegangen war. Das war unbestritten. Daher auch meine frühe Initiative 1977, das Groupement Genevois des Cabinotiers zu gründen. Dort haben wir alle Künstler und Handwerkskünste vereint, die bei der Uhrenproduktion gebraucht werden: Graveure, Goldschmiede, Edelsteinschleifer, Uhrmacher natürlich… Ich restaurierte damals Uhren, wir brauchten Leute, die das alles noch konnten. Der zweite Aspekt war die allgemeine Stimmung: Die war viel besser, es gab einen stärkeren Zusammenhalt, und unser Verhältnis untereinander war viel familiärer und geselliger. Heute ist alles nur noch Wettbewerb. Das erleben wir überall. Das ist hart. Ehrlich, ich bin wirklich froh, aus diesem System ausgestiegen zu sein.

Wie kann es eigentlich sein, dass Sie der einzige sind, dessen komplette Werkproduktion den ‚Poinçon de Genève’, das Genfer Siegel hat? 

Das war von Anfang an meine persönliche Verrücktheit. Bei Patek Philippe hatte ich nichts anders gemacht, nur Genfer Siegel, und zwar alles in Handarbeit. Die Komplikationen machten wir damals alle in Handarbeit, die Maschinen waren rudimentäre Maschinen, die 200 Jahre alt waren. Ich wollte das Siegel unbedingt für alle meine Modelle, und ich wusste genau, dass ich mich gut positionierte, indem ich mir das auferlegte. Ich wollte ja nicht nur irgendeine Marke mehr sein, die vor sich probiert, um sich zwei Jahre am Markt zu halten… Außerdem zwang uns das, ernsthaft bei der Sache zu bleiben und die Traditionen zu respektieren. Der Respekt vor den Traditionen verhindert ja nicht die Kreativität. Sondern wir nehmen das, was gut ist, aus der Vergangenheit, und transformieren es, machen etwas daraus, das besser ist. Danach haben wir gestrebt.

Gibt es etwas, das Sie heute anders machen würden? 

Eigentlich nichts. Ich habe mich nicht zu sehr getäuscht, nicht zu oft geirrt. Wir leben mit dem Lauf der Dinge. Heute hat sich vieles geändert, vielleicht würde ich es deshalb heute anders machen, aber die Basis ist und bleibt der Respekt vor meinen Mitarbeitern, den Handwerkern. Ihnen die Liebe zum Handwerk zu übertragen und zu vermitteln.

Was würden Sie einem jungen Uhrmacher raten, der heute seine eigene Firma aufbauen will? 

Es gibt nur eine Antwort: Mach das, worauf du Lust hast. Wähle dein Metier. Und wenn du es gewählt hast, musst du es aus ganzem Herzen lieben und ausüben. Nur du allein kannst dem, was du machst, einen Sinn geben, was auch immer das Handwerk ist. Du darfst keinen Zweifel haben, denn der Zweifel wird sich übertragen. Du musst überzeugt sein, und optimistisch. Und wenn Du vorher nicht genug gelernt und studiert hat, wird es Dir später hinten drauf fallen. Das ist meine tiefste Überzeugung, und es ist mir selbst so ergangen. Ich bin dem Metier verfallen, als ich 13 war. Ich entdeckte die große Turmuhr meiner Heimatkirche und wusste sofort, dass es das ist, was ich machen wollte. Mein Vater ließ mich frei entscheiden und mich auf die Uhrmacherschule gehen. Die Liebe ist mir bis heute geblieben, und ich bin sehr dankbar, dass ich mein Leben lang in diesem Beruf arbeiten durfte.

Können Sie Roger Dubuis in drei Worten beschreiben? 

Das müssen Sie die fragen, die jetzt Roger Dubuis sind.

Und der Roger Dubuis vor 2008? 

Ist ein eher ruhiger Mensch. Ich bin traditionell, in meinem Beruf, und in der Musik. Ich liebe klassische Musik, Bach, Mozart, Brahms, Tschaikowski… Gerade höre ich viel Prokofjev, und Debussy, damit hatte ich mich anfangs schwer getan. Und – ich habe es schon 36 mal gesagt, aber ich sage es nochmal: Ich liebe meinen Beruf. In diesem Rahmen, und für den Rest meines Lebens bedeutete das immer Lernen. Man darf nicht vergessen, dass ich bei der Gründung meiner eigenen Firma bereits 58 Jahre alt war. Ich hatte eine solides Wissen. Ich hatte solides Gepäck dabei. Wenn das nicht gewesen wäre, wäre ich nicht mehr da. Und die Marke auch nicht.

Roger Dubuis im Gespräch mit Watchlounge-Chefredakteurin Elke Reinhold
Roger Dubuis im Gespräch mit Watchlounge-Chefredakteurin Elke Reinhold.

Wer ist eigentlich „der Mann“ oder „die Frau“ Roger Dubuis? 

Die Frage ‚Wem könnte das gefallen?’ habe ich mir nie gestellt. Ich war naiv. Heute kommt einem das komisch vor. Aber es gab viele Menschen, die mir verbunden waren, wie der Uhrenjournalist Gabriel Tortella, der leider vor ein paar Jahren gestorben ist. Menschen wie ihm, und allen meinen Meistern, die mich auf meinem Weg begleitet und mir geholfen haben, habe ich mein Modell ‚Hommage’ gewidmet, das wir seit 20 Jahren machen.

Was ist für Sie eine moderne Uhr? 

Eine moderne Uhr ist für mich heute ein Hybrid, wie ein Auto. Es gibt Uhren, die ähneln eher einem Panzer, Gehäuse, die mit Rollen gearbeitet sind, mit modernster Technik, komplett aus der Form. Aggressiv. Mit den modernsten Mitteln arbeiten. Das bedeutet für mich eine moderne Uhr. Aber nur, solange man im Traditionellen verhaftet bleibt. Man nimmt seine Kreativität und adaptiert sie. Die Maschinen erlauben uns heute, total verrückte Stücke zu machen, während so etwas früher gar nicht möglich war. Aber auch die Zeit hat sich geändert. Früher bekamst du als kleiner Junge eine Uhr zur Kommunion. Die trugst du dann bis zu deinem Tod. Die kam in eine Schublade und war heilig. Als ich noch Reparaturen machte, bekam ich oft diese Kommunionsuhren auf den Tisch. Das war eine Bastelei…

Tut Ihnen die Apple Watch weh? 

Nein, sie ist sogar nötig. Wissen Sie, die erste moderne Uhr in der Schweiz war eine Uhr von Uniprix, die kostete sieben Franken, das war 1945 oder 1946. Das war unterste Preiskategorie. Der Unterschied zu heute ist, dass die billigen Uhren damals nicht gingen, die von heute gehen gut. Ich sehe das manchmal am Flughafen, die vielen Uhren, die nichts kosten. Das ist doch wunderbar zum Spaß, um einen Jugendlichen zu erfreuen. Das ist doch toll.

Wären Sie rückblickend manchmal gern ‚klein’ geblieben, wie Ihr Kollege Laurent Ferrier mit seinen vier bis sechs Modellen? 

Ich habe genau so angefangen wie er. Ein kleines Unternehmen mit ein paar Leuten – ich dachte nicht daran, so groß zu werden. So enorm groß. Ja, wenn ich noch einmal anfangen würde, würde ich klein bleiben. Ferrier lebt sein Leben, er macht es richtig.

Welches ist Ihr Lieblingsmodell aus der aktuellen Roger Dubuis Kollektion? 

Ich selbst trage immer meine alten Teile, die klassischen. Mein Lieblingsmodell ist die Hommage. Dem Designer ist etwas Wunderbares gelungen. Ich liebe dieses Stück. Das hat sehr emotionale Gründe. Am Anfang war ich ‚Roger Dubuis Horloger Genevois’: Roger Dubuis, Genfer Uhrmacher. Ich habe alle meine Studien in Genf gemacht, meine ganze Karriere, ich habe das Genfer Siegel, ich wollte immer ein Genfer Produkt. Und das Gehäuse der Hommage ist das typische Genfer Gehäuse. Ich liebe diese Form.

Er trägt sie immer: Roger Dubuis mit dem Modell der "Hommage", das seine Uhrmacher ihm zu Ehren kreierten
Er trägt sie immer: Roger Dubuis mit der „Hommage“, die seine Uhrmacher ihm zu Ehren kreierten.

Haben Sie noch einen Traum? 

Aber ja. Eine Utopie. Die Definition von Utopie ist für die meisten Leute ‚Ein nicht realisierbarer Traum’. Für mich bedeutet Utopie ‚Ein nicht realisierter Traum’.

Der auch ‚nicht realisiert’ bleiben soll? 

Voilà! Und der Traum geht weiter…

Interview: Elke Reinhold, Editor in Chief Watchlounge.com

Roger Dubuis SIHH Neuheiten 2016

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Roger Dubuis Velvet Secret Heart Ref. RDDBVE0058
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Roger Dubuis Black Velvet Carbon Forged Ref. RDDBVE0051
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Roger Dubuis Velvet Ribbon Ref. RDDBVE0019 mit 631 Diamanten und insgesamt 53 Karat.

 

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Roger Dubuis Excalibur Excalibur Automatic Skeleton Carbon Ref. RDDBEX0508
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Roger Dubuis Velvet Massaro
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Roger Dubuis Blossom Velvet Blue