Inside Comadur: Rado und Formel der Hightech-Ceramic

Manche Dinge muss man einfach selbst in die Hand nehmen, um sie nicht mehr zu vergessen. So geht es mir zumindest mit der Hightech-Keramik von Rado. Sie ist leicht, glatt und hart. Ihre Oberfläche sagt Kratzern den Kampf an und ist dabei noch hypoallergen zur Haut. Beste Voraussetzungen für einen Stammplatz am Handgelenk. Doch was ist das Geheimnis der Hightech-Keramik? Um Licht ins Dunkle zu bringen, bin ich in die Schweiz gereist und habe einen Blick hinter die Kulissen einer der wichtigsten und dennoch unbekanntesten Produktionsstätten der gesamten Uhrenindustrie geworfen. Entdecken Sie, wo Keramik wie entsteht und wer Rado den Weg für Träume am Arm ebnet.

Rado Comadur

Zu Gast bei Comadur: Hidden Champion der Schweiz

Ganze anderthalb Stunden Fahrzeit liegen zwischen dem historischen Neuenburg – womöglich sind Sie mit dem französischen Namen „Neuchâtel“ vertrauter – und Boncourt, wo die jüngste Produktionsstätte für Hightech-Ceramic der Swatch Group und auch Rado entstanden ist. Hier gehen wir der schwarzen Magie auf den Grund und dürfen einen exklusiven Blick hinter die Kulissen der Produktion werfen. 

Rado Comadur
Zu Gast bei Comadur in Boncourt

Neben den großen Namen haben sich hier auch Hidden Champions der Industrie etabliert. Einer davon ist Comadur, dessen Firmenname – ein Akronym aus „Composants en Matériaux Durs“ – sich am treffendsten mit „Hartstoffkomponenten“ übersetzen lässt. Die für die Uhrenindustrie wichtigsten Tätigkeitsfelder des Unternehmens liegen in der Herstellung synthetischer Kristalle wie Saphire (für Gläser) sowie Rubine (als Lagersteine) und Keramik. Letztere ist für meine Spurensuche besonders interessant. Genauso wie der Fakt, dass Comadur ebenso zur Swatch Group gehört, wie Rado selbst.

Die Rado Hightech-Keramik entsteht bei Comadur
Bei Comadur dürfen wird den Entstehungsprozess der Keramikgehäuse von Rado live mitverfolgen

Wie entsteht Hightech-Keramik?

Wer die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Firmen kennt, kann sich die Entstehungswege der Uhren von Rado noch besser vorstellen. Die Bauteile aus Hightech-Keramik stammen, wie auch die Saphirgläser, von Comadur. Hinter die Kulissen eines so bedeutsamen Zuliefererunternehmens blicken zu dürfen, ist eher Ausnahme als Regel. Zum Schutz des hochspezialisierten Knowhows vor Ort, hat meine Kamera deshalb keinen Zutritt, weshalb wir hier auch auf Fotos des Unternehmens zurückgreifen. Um die Hightech-Keramik und ihre besonderen Eigenschaften besser verstehen zu können, zeige ich Ihnen den kompletten Entstehungsprozess von A-Z.

Die Rado Hightech-Keramik entsteht bei Comadur
Schritt 1: Eine Gussform wird konstruiert

#1 Konstruktion der Gussform

Anhand der Konstruktionszeichnung der Rado-Designer wird bei Comadur eine Gussform für das Gehäuse der späteren Uhr erstellt.

Die Rado Hightech-Keramik entsteht bei Comadur
Schritt 2: Eine Spritzgussform entsteht

#2 Spritzguss unter Hochdruck

Diese Gussform wird im Inneren einer Maschine platziert, wo der Einspritzvorgang erfolgt. Konkret wird geschmolzenes Zirkonoxidpulver mit Polymerbindemittel und Farbpigmenten zu einer homogenen Masse vermischt. Der Einspritzdruck liegt bei sagenhaften 1000 bar, weshalb Gussform mit 50 Tonnen zusammengepresst wird, um dem Druck standzuhalten.

Im Anschluss wird (mithilfe von Alkohol) das für den Spritzguss notwendige Bindematerial wieder herausgelöst. Dieser Ausdünstungsprozess findet bei 60 °C statt und dauert ganze zwei Tage.

Die Rado Hightech-Keramik entsteht bei Comadur
Schritt 3: Das „Sintern“ bei Temperaturen bis 1450 °C

#3 Das „Sintern“

Anschließend wird das Gehäuse in einem speziellen Ofen für den nächsten, ebenfalls mehrere Stunden andauernden, Bearbeitungsschritt platziert. Bei dem sogenannten „Sintern“ erhält das Material durch Temperaturen bis zu 1450 °C seine endgültige Farbe und die begehrte Härte. Besonders spannend: Während dieses Vorgangs schrumpft das Gehäuse um 23 % auf seine endgültige Größe, was wiederum heißt, dass die ursprüngliche Spritzgussform diesen Verkleinerungsprozess exakt einberechnen muss.

Die Rado Hightech-Keramik entsteht bei Comadur
Schritt 4: Finetuning mit Diamantwerkzeug

#4 Maschinelle Nachbearbeitung

Um die finalen Proportionen des Gehäuses herzustellen, muss nun, aufgrund der Härte des Materials, ein Diamantwerkzeug an die Arbeit. Nach circa 20 Minuten sind beispielsweise die Dichtflächen für die Gläser und die Nuten für die Dichtungen gefräst. Höchste Präzision ist hier Pflicht, die Toleranz liegt bei 0,02 Millimeter.

Die Rado Hightech-Keramik entsteht bei Comadur
Schritt 5: Politur auf Hochglanz

#5 Polieren

Das für die Hightech-Keramik von Rado so typische Hochglanz-Finish erhalten die Komponenten durch ein Bad mit kleinen Keramikteilen. Bei hoher Frequenz vibrieren sie über eine Dauer von mehreren Tagen, um ein perfektes Endergebnis zu erzielen.

Die Rado Hightech-Keramik entsteht bei Comadur
Schritt 6: Die Endkontrolle

#6 Endkontrolle

Selbstverständlich verlassen keine Komponenten die Hallen von Comadur, ohne die strenge Endkotrolle passiert zu haben. Die Gehäuse aus Hightech-Keramik von extravaganten Modellen wie beispielsweise der True Square Open Heart werden anschließend bei Rado zum Leben erweckt. 

Die Rado Hightech-Keramik der True Square Open Heart
Bei Rado wird den Keramik-Komponenten Leben eingehaucht

Von Komponenten zur fertigen Uhr: Die True Square Open Heart

Schon Eingangs habe ich mich begeistert von den Materialeigenschaften der Hightech-Keramik gezeigt. Neben dem geringen Gewicht und dem hohen Tragekomfort empfinde ich auch die Resistenz gegenüber Tragespuren als echten Pluspunkt. Konkret sind die Gehäuse und Armbänder mit ihren 1.250 Vickers fünf Mal härter als Stahl. Das gilt natürlich auch für einen quadratischen Eyecatcher wie die True Square Open Heart, die mit ihrem 38 mm großen und bloß 9,7 mm hohen Korpus an nahezu jedem Handgelenk gut aussieht.

Die Rado Hightech-Keramik der True Square Open Heart
Eyecatcher fernab des Gewöhnlichen: Die True Square Open Heart

Rado contra Mainstream. Auch dank Comadur

Jeder Check der Uhrzeit lässt tief blicken und durch die direkte Verbindung von Zifferblatt und Werk macht sie ihrem Namen „Open Heart“ alle Ehre. Da wir gerade schon bei dem Antrieb sind, hierbei handelt es sich um ein robustes Automatik-Kaliber in bester Swiss-Made-Qualität mit bis zu 80 Stunden Gangreserve. Design gibt es hier nicht auf Kosten, sondern im direkten Zusammenspiel mit der Technik. Auch deshalb ist die True Square Open Heart ein gutes Beispiel dafür, dass Rado dem gestalterischen Mainstream immer wieder spannende Zeitmesser entgegensetzt. Spätestens seit meinem Besuch in Boncourt steht für mich fest, dass das prominente Keramik-Portfolio der Marke ohne herausragendes Savoir-Faire von Comadur heute wohl ganz anders aussehen würde.

Weitere Informationen zu den Modellen von Rado sowie der Bedeutung von Hightech-Keramik finden Sie auf der Seite des Herstellers hier.


Bilder (3 bis 9) ©Rado • Text & Bilder (1,2, 10 & 11) ©David Schank, Watchlounge