Wie aufregend kann eine Schweizer Stoppuhr sein, die nach einem amerikanischen muscle car benannt wurde und nach vier Jahren wieder aus der Modellpalette verschwand, weil sie dem technischen und optischen Zeitgeist nicht mehr entsprach?

Naja, verdammt aufregend! Hier geht es um die Heuer Camaro. Den Kissen-Chrono, der lange den preislichen Einstieg in die Handaufzugs-Stopper von Heuer markierte und sich seit geraumer Zeit stark steigender Beliebtheit erfreut. Aber vielleicht ist es auch einfach nur einer der schönsten Chronographen, der je gebaut wurde. Eine Annäherung.

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Um die Geschichte zu erzählen, muss man zurück ins Jahr 1966. Chevrolet stellt gerade sein neues muscle car vor, den Camaro. Das Auto wird in den USA binnen kürzester Zeit äußerst populär und so auch sein Name. Vor allem, weil der Wagen in der bekannten US-Rennserie „Indianapolis 500“ über mehrere Jahre hinweg als Safety Car zum Einsatz kommt.

Zu diesem Zeitpunkt steigt auch Jack Heuer ins Spiel ein. Er will seine Schweizer Uhrenmarke in den Vereinigten Staaten besser positionieren und sie deshalb mit einem neuen Modell auf den US-Motorsport ausrichten. Der Firmenpatriarch selbst sucht den Namen aus und so kommt 1968 die Heuer Camaro als neuer Handaufzugs-Chronograph auf den Markt. Sie ergänzt von nun an die Chronographen-Baureihe, wo es vor allem bei der Carrera eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten gibt.

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So sind die Camaro-Modelle den Carreras nicht nur bei den Werken, sondern auch beim Layout der Zeiger und Zifferblätter sehr ähnlich. Was beide Kultmodelle aber grundlegend voneinander unterscheidet, sind ihre Gehäuse. Die Carrera hat ein rundes Gehäuse mit langen Hörnern und polierten Oberflächen.

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Die Camaro dagegen ist Kissenförmig. Sie hat mehr Kanten und vor allem einen unverkennbaren Sonnenschliff der auf dem Oberteil des Gehäuses thront. Das schafft den nötigen Kontrast zu den polierten Seitenflanken. Der Durchmesser liegt mit 37mm zwar nur unwesentlich über den 36mm der Carrera, doch die Camaro wirkt am Handgelenk deutlich präsenter. Trotzdem trägt sich absolut angenehm und ist eine schöne Abwechslung zu all dem, was sonst den Arm schmückt.

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Bereits 1972 verschwindet die Camaro allerdings wieder aus der Modellpalette von Heuer. Moderne Automatikwerke und deutlich größere Gehäuse bei den Carrera- und Autavia-Modellen entsprechen nun dem Puls der Zeit. So bleiben in den nur vier Jahren Produktionszeit Charakteristika wie das unverkennbare Kissengehäuse und die Handaufzugswerke unverändert erhalten. Gebaut werden die Kaliber von dem Schweizer Hersteller Valjoux, der heute zur Swatchgroup gehört und damals auch Marken wie Rolex und Universal Genève mit seinen robusten Chronographenwerken beliefert.

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Doch was macht die Camaro vor allem heute zu einer außergewöhnlichen Uhr?

Für mich die Tatsache, dass sie eine unverfälschte Vintage-Uhr für fast alle Sinne ist. Ein Kult-Chronograph, dem man sich zuerst mit geschlossenen Augen annehmen sollte, um das Beste nicht vorweg zu nehmen.

Es beginnt mit dem markanten Ticken der Valjouxwerke. Je nach Kaliber variiert die Lautstärke und so prägt sich das Schwingen der Unruh genauso angenehm ein, wie das satte Betätigungsgeräusch der Chronofunktion. Natürlich nach dem Drücken der typischen Heuer-Pusher mit den tiefen Einkerbungen. Das Ohr wird also mit der sympathischen Geräuschkulisse eines Vintage-Chronos beschallt.

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Um die haptischen Besonderheiten der Camaro zu verstehen, muss man sie einfach in die Hand nehmen. Wer schon mal Form und Beschaffenheit eines unpoliertes Exemplars mit den eigenen Fingern ertastet hat, gerät ins Schwärmen. Ein wunderbares Spiel aus Ecken und Kanten und aus geschliffenen wie auch polierten Oberflächen. Nie wirkt das Gehäuse gewollt auffällig, sondern stets stimmig und dezent.

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Nun schaut man also direkt auf seine Camaro und sieht mit Sicherheit eines der schönsten Chronographen-Gesichter, das im letzten Jahrhundert den Weg in eine Uhr gefunden hat. Oder wie hier gleich vier davon.

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Die Zifferblätter sind in zahlreichen Varianten auf den Markt gebracht worden. Eine allumfassende Übersicht aller Blatt- und Zeiger-Derivate besteht noch nicht. Schließlich gibt es einen riesigen Variantenreichtum bei dieser Uhr. Besonders kontrastreich und beliebt sind beispielsweise die seltenen Panda-Varianten.

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Grundsätzlich gibt es innerhalb der Camaro-Baureihe drei Optiken an denen man sich orientieren kann. Die schlichte „Camaro 30“ bildet heute oft auch preislich den Einstig ins Thema. Die Bezeichnung mit der 30 in Namen rührt daher, dass die Modelle dieser Serie zwei Totalisatoren haben, bei denen der Minutenzähler bis 30 skaliert ist.

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Im Inneren der Uhr verrichten Werke der Valjoux Serie 773x oder 92 ihren Dienst. Bei der braunen Camaro ist es ein frühes 7730, das folgendermaßen aussieht:

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Die „Camaro 12“ ist für viele Sammler die schönste Variante. Analog zur bereits vorgestellten „Camaro 30“, richtet sich die Bezeichnung nach der Skalierung eines Totalisators. Bei der Referenz 7720 spricht man allerdings von dem 12-Stunden Zähler, der den anderen Modellen komplett fehlt.

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Das dritte Subdial ist aber nicht nur ein optisches Schmankerl, sondern geht vor allem mit der Verwendung eines anderen Werkes einher. Im Inneren der meisten „Camaro 12“ läuft das legendäre Valjoux-Kaliber 72, das heute vor allem durch seine Verwendung in den Handaufzugs-Daytona´s von Rolex bekannt ist.

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Abschließend noch die dritte Variante, die Camaro Date. Diese Variante gibt es nur mit zwei Subdials und in Stahl nur mit den Valjoux-Kalibern 7732 und 7734.

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Wer Gefallen an diesen außergewöhnlichen und seltenen Stoppuhren gefunden hat, sollte sich beeilen. Die Preise sind seit geraumer Zeit kräftig am steigen, was man von dem Angebot auf dem Vintage-Markt nicht behaupten kann. Dennoch sind regelmäßig Heuer Camaro´s mit unpolierten Gehäusen und originalen Zifferblättern im Umlauf. Die Zeiger sind oft angegriffen, zeigen Korrosion und gebrochene Leuchtmasse. Aber trotzdem lohnt es sich nach den Kissen-Chrono´s Ausschau zu halten. Viele der ehemals schwarzen Blätter sind braun geworden und haben eine herrliche Ausstrahlung. Besonders beliebt und teuer sind die Modelle mit dem Valjoux-Kaliber 72 und Panda-Blättern. Preislich liegt der Einstieg bei ca. 2.500 Euro für eine Camaro 30. Nach oben sind bei entsprechend seltenen Modellen, vor allem in Anbetracht der niedrigen Zinsen, zur Zeit keine Grenzen gesetzt.


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David Schank, Editor Watchlounge.com