Longines CEO Matthias Breschan im Interview

Als CEO hält Matthias Breschan seit 2020 die Zügel bei Longines in der Hand. In der Swatch Group – zu der die Traditionsmarke aus Saint-Imier gehört – ist er dagegen schon seit fast 30 Jahren eine wichtige Persönlichkeit mit großer Managementerfahrung. Zuvor hat er aus der Gruppe die Marken Rado und Hamilton geführt, ebenfalls als CEO. Wir haben mit ihm über die globalen Herausforderungen der Uhrenindustrie, seine ehrgeizigen Ziele für die kommenden Jahre sowie den Schatz gesprochen, der in den Archiven der Marke liegt. 

Longines CEO Matthias Breschan

Herr Breschan, nach zwei harten Corona-Jahren gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit als Longines CEOliegt nun ein deutlich erfreulicheres 2022 hinter uns. Was haben Sie aus der Zeit mitgenommen?

Ich habe bei Longines am 1. Juli 2020 angefangen und damals waren nahezu alle weltweiten Verkaufspunkte geschlossen. Einen schlimmeren Zeitpunkt hätte ich mir zum Einstieg also nicht aussuchen können. Was mir allerdings von Beginn an bewusst war: Wenn eine Marke sehr stark ist, kann sich das Blatt auch schnell wieder zum Positiven wenden. Im August 2020 haben wir bereits einen höheren Umsatz erzielt als 2019, unserem Rekordjahr bis dato. Auch 2021 und 2022 waren für unsere Marke sehr starke Jahre. Vor allem mit großem Wachstum in den europäischen Märkten, den USA und dem Mittleren Osten. Das gleiche gilt für Asien, besonders für Japan, Singapur und Malaysia. Fest steht, dass wir optimistisch an unserem Wachstumskurs festhalten, um die Schallmauer von zwei Milliarden Umsatz im Jahr 2025 zu durchbrechen.

Woher kommt Ihre Zuversicht in dieser Sache?

Vergessen Sie gerade mit dem Blick auf China nicht, dass dort hunderte Millionen von Menschen in den kommenden Jahren den Sprung in die dortige „Middle Class“ schaffen können. Middle Class heißt auch Zugang zu Luxusprodukten wie Uhren und das sehen wir wiederum als riesiges Potenzial für unsere Marke. Oder nehmen Sie geografisch benachbarte Wachstumsmärkte wie Indonesien, Thailand oder die Philippinen. Gerade dort können wir in Zukunft noch stark wachsen. Zudem konzentrieren wir uns seit mehr als zwei Jahren wieder ganz bewusst auf den lokalen Kunden in den jeweiligen Märkten. Ich will gar nicht abstreiten, dass Longines in der Vergangenheit in manchen Ländern zu stark auf Touristen gesetzt hat. Diesen Fehler haben wir erkannt und behoben. 

Auch der indische Markt lockt mit mit über 1,4 Milliarden Einwohnern und riesigem Wachstumspotenzial. Welche Bedeutung hat er für Longines?

Longines und die gesamte Swatch Group sind bereits sehr stark in Indien positioniert. Wir zählen dort ganz klar zu den Leading Brands und haben 2022 auch in Indien ein riesiges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr hingelegt.

Womit planen Sie die Kunden in Zukunft denn konkret zu begeistern?

Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Seit über 20 Jahren arbeite ich in der Uhrenindustrie und dachte auch schon vor meinem Eintritt bei Longines die Marke gut zu kennen. Dabei habe ich erst beim Besuch unseres Museums entdeckt, wie viele Meilensteine der Uhrmacherei wir gesetzt haben und wie wenig davon der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Dass Longines beispielsweise das erste GMT-Werk für eine Armbanduhr gebaut hat, dürfte die Meisten überraschen. Genau hier setzt unsere Kommunikation ein, mit der wir die reiche Geschichte unserer Marke erzählen und in Form neuer Modelle auch an die Handgelenke bringen. Dazu müssen wir Longines auch nicht repositionieren, sondern bleiben unserem Preissegment von 1.000 bis 5.000 Euro treu und setzen alles daran, hier der Market Leader zu bleiben. Denn auch innerhalb dieses Kostenrahmens schaffen wir es, unseren Kunden State-of-the-Art Technologie zu bieten. So wie mit der Wiederauflage der Longines Ultra-Chron, die mit ihrem Hochfrequenzwerk zum Preis von unter 4.000 Euro eigentlich konkurrenzlos ist.

Gab es Insights, die Sie überrascht haben, als Sie mehr über die Kundschaft von Longines erfahren haben?

Wir sind eine der wenigen Marken, bei denen die Uhren nahezu vollständig ausgewogen von Frauen und Männern gekauft werden. Hier sehen wir auch ein Aufweichen der klassischen Kategorisierung in Damen- und Herrenuhren aufgrund von Proportionen. Bestes Beispiel ist die neue Longines Spirit mit ihrem 37 mm großen Gehäuse. Dieses Modell wird zu 50 Prozent von Herren und zu 50 Prozent von Damen gekauft. In Europa und den USA sehen wir zudem einen Trend hin zu Vintage-inspirierten Zeitmessern mit kleinerem Durchmesser, während in China aktuell eher „je größer, desto besser“ gilt.

Wir waren heute in den Archiven von Longines unterwegs und von der lückenlosen Dokumentation durchaus angetan. Wie nutzen Sie diesen Datenschatz?

Unsere Archive sind innerhalb der gesamten Uhrenindustrie wirklich etwas ganz besonderes, denn wir können jede Seriennummer seit 1867 lückenlos zurückverfolgen und unseren Kunden zahlreiche Informationen zu ihrer Vintage Longines anbieten. Das macht die Marke für Sammler attraktiv, aber auch wir schöpfen für unsere Projekte wertvolle Ideen aus dem Archiv.

Sie bieten in der Collectors Corner auf Ihrer Homepage seit einige Zeit restaurierte Vintage-Modelle zum Kauf an. Verfolgen Sie damit eher ein Umsatz- oder ein Marketing-Ziel und wie wird das Ganze angenommen?

Durch die sehr hohe Nachfrage kommen wir aktuell gar nicht hinterher, genug Vintage-Uhren anzubieten. Die historischen Zeitmesser werden angekauft, restauriert, zertifiziert und danach für unsere Homepage fotografiert. Der Verkauf selbst findet in unserer Boutique statt, aktuell ausschließlich in Genf. Wir möchten dieses Konzept auch auf weitere Städte und Länder ausweiten, aber durch die starke Nachfrage und den hohen Aufwand, der hinter jeder angebotenen Uhr steckt, kommen wir zur Zeit einfach nicht hinterher. Für uns ist das Ganze auch kein Marketingtool, das vordergründig Werbezwecken dient. Es geht uns viel mehr darum, unserer Kundschaft zu zeigen, dass die Uhren von Longines nach vielen Jahrzehnten noch immer restauriert und wieder getragen werden können. Auch auf diesem Gebiet werden Sie in den kommenden Jahren noch einiges von uns hören und vor allen Dingen sehen. 

Das Gespräch führte David Schank. 


Bild © Longines • Text © Watchlounge