Van Cleef & Arpels CEO Nicolas Bos im Interview

„Das Zauberwort ist Authentizität“

Seit über 10 Jahren lenkt Nicolas Bos als CEO die Geschicke von Van Cleef & Arpels. Teil der Marke ist er schon im Jahr 2000 geworden. Eine echte Seltenheit in der Schmuck- und Uhrenbranche, in der Chefsessel schnell zu Schleudersitzen werden. Die Beständigkeit an der Spitze zahlt sich aus, denn Van Cleef & Arpels geht es so gut wie nie zuvor. Das liegt auch daran, dass die Manufaktur mit Hauptsitz in Paris neben weltbekannten Ikonen wie der Alhambra-Kollektion auch vielversprechende Ambitionen im Bereich der Armbanduhren hat. Woher wir das wissen? Nicolas Bos hat mit uns einen Blick in die Vergangenheit und die Zukunft geworfen. 

Van Cleef & Arpels CEO Nicolas Bos
Seit 2013 an der Spitze von Van Cleef & Arpels: CEO Nicolas Bos

Sehr geehrter Herr Bos,

was wäre die erste Uhr, die Sie einem Kunden aus dem Portfolio von Van Cleef & Arpels anbieten würden, und was werden wir niemals von Ihrer Marke sehen? 

Ich liebe die Pierre Arpels Heure d’Ici & Heure d’Ailleurs, weil sie sich durch traditionelle Formensprache und ein sehr interessantes Uhrwerk mit zwei Zeitzonen auszeichnet. Für mich ist sie die perfekte Herrenuhr. Dezent auf der einen Seite, technisch raffiniert auf der anderen. Darüberhinaus ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Ausdruck und die Designsprache unseres Hauses eher feminin ist und es Dinge gibt, die für uns einfach keinen Sinn machen. Das Einführen neuer Materialien zum Beispiel, um Sportuhren aus Keramik zu bauen. Wenn wir keine authentische Geschichte dazu erzählen können, werden wir nie das Van Cleef & Arpels-Logo auf etwas setzen. In Zukunft planen wir aber, mehr Uhren mit maskulinerem Design zu entwickeln, die unserer gestalterischen DNA treu bleiben.

Die Pierre Arpels Heure d'Ici & Heure d'Ailleurs
Die Pierre Arpels Heure d’Ici & Heure d’Ailleurs

Wenn die Leute an Van Cleef & Arpels denken, haben sie oft die Alhambra-Kollektion im Kopf. Dennoch gibt es ein riesiges Portfolio an atemberaubenden Schmuckstücken und Zeitmessern, die die DNA der Marke noch stärker verkörpern. Wie wichtig ist das Gleichgewicht im Gesamtportfolio, und wie stellen Sie sicher, dass die Armbanduhren von Van Cleef & Arpels durch die große Popularität Ihres Schmucks nicht in Vergessenheit geraten? 

Zunächst einmal ist Alhambra für mich eine außergewöhnliche Kollektion. Sie begleitet uns seit mehr als 50 Jahren und ist die perfekte Einführung in die Welt von Van Cleef & Arpels. Viele Stücke aus dieser Linie sind easy im Alltag zu tragen und für ein breiteres Publikum erschwinglicher als unser High-Jewelry Schmuck. Wenn die Leute schließlich in unsere Boutiquen kommen, begeistert von einem Alhambra-Stück, das sie vielleicht am Handgelenk einer Freundin gesehen haben, finden sie ganz automatisch heraus, dass unser Haus noch viel mehr zu bieten hat. Hier beginnt für unsere Kunden ein kompletter Entdeckungsprozess, in dem auch unsere Zeitmesser eine wichtige Rolle spielen. Deshalb ist die Alhambra-Kollektion für uns ein echter Segen, denn sie ist Ausdruck von Geschichte und gestalterischer Identität unserer Marke. Auf der ganzen Welt spricht sie alle Arten von Menschen an, diese Vielfalt finde ich besonders wichtig.  

Alle Ihre Kollektionen werden weltweit ausschließlich in Van Cleef & Arpels-Boutiquen verkauft, da Ihre Marke nicht mit Großhandelspartnern oder Multibrand-Retailern zusammenarbeitet. Im Moment sehen wir einen starken Trend der Uhrenmarken der Richemont-Gruppe (A. Lange & Söhne, Vacheron Constantin, Jaeger-LeCoultre) in Richtung reiner Boutique-Präsenz. Sie haben mit VCA viel Erfahrung in diesem Bereich – was sind die Vorteile für Marke und Kunden?

Der entscheidende Vorteil ist, dass jedes Geschäft, jede Boutique oder wie auch immer man es nennen mag, purer Ausdruck der Marke ist, denn für mich dreht sich alles um den Kunden in unserem eigenen Universum. Schon in der Vergangenheit waren die meisten großen Schmuckmarken Einzelhändler mit eigenen Geschäften, in denen sie ihre Kollektion präsentiert und verkauft haben. Denken Sie nur an all die Haute Horlogerie Geschäfte an der Place Vendôme in Paris, die schon in den 1920er Jahren unterschiedliche Identitäten präsentiert haben. Wenn Sie zu uns kommen, betreten Sie unsere Welt des Stils, der Handwerkskunst und unserer langen Historie. Sehr oft kommen Kunden zu uns, ohne ein bestimmtes Produkt im Sinn zu haben, bloß zu sehen, was wir aktuell zu bieten haben und um sich von unseren Kollektionen inspirieren zu lassen. Wir geben ihnen einen perfekten Einblick in unsere Welt des Schmucks und der Uhren und genau das ist der Grund, warum man in Boutiquen von Van Cleef & Arpels, aber auch Cartier oder Bulgari geht. Wenn Sie dagegen in einen Multibrand Store betreten, wird dort meist jemand zwischen verschiedenen Marken auswählen, was seiner Meinung nach am besten zu Ihnen passt. Der Ansatz ist komplett unterschiedlich.

Van Cleef & Arpels betreibt eine Boutique im Herzen von München auf der Maximilianstraße. Es ist der einzige Verkaufspunkt in Deutschland, wo man die Produkte der Marke physisch erleben kann. Wie wichtig ist der deutsche Markt für Ihre Marke und wie viel Wachstumspotenzial sehen Sie hier? 

Historisch gesehen, gehört der deutsche Markt, wie viele andere in Europa außer Frankreich, nicht zu unseren wichtigsten Betätigungsfeldern. Aber als wir die Präsenz der Marke in Europa ausgebaut haben, war es für uns fast schon logisch, eine Boutique in München zu eröffnen. Das Problem in Europa ist die Schwierigkeit, den perfekten Standort in der richtigen Lage zu finden. Das gilt für London, Genf oder wo auch immer. In Shanghai zum Beispiel gibt es eine Menge Bewegung im Einzelhandel. Dort entstehen viele neue Bauprojekte, so dass es möglich ist, innerhalb von zwei Jahren oder weniger einen starken Standort zu finden. In München dagegen haben wir fast zehn Jahre gebraucht, um uns den richtigen Platz zu sichern. Darüberhinaus war unser Stil vor 20 oder 30 Jahre in Deutschland nicht unbedingt populär. Ein starker Markt für Uhren, aber der Look unserer Stücke hat einfach nicht zum Geschmack der meisten Kunden gepasst. Das hat sich binnen der letzten Jahre sehr stark zum Positiven gewendet und wir erleben eine große Wertschätzung, die unsere Marke und ihren Stil trägt.

Nicolas Bos: „Das Zauberwort ist Authentizität“

Die Pierre Arpels Heure d'Ici & Heure d'Ailleurs
Feine Handwerkskunst: Die Pierre Arpels Heure d’Ici & Heure d’Ailleurs

Alle reden über die Generation Z und darüber, wie man mit der nach 2000 geborenen Generation in Kontakt treten kann. Sie werden oft als kantige Digital Natives mit einem hohen Bewusstsein für Nachhaltigkeit und einer starken Nachfrage nach E-Commerce beschrieben. Wie kann man sie ansprechen und was erwarten Sie, wie der Kauf einer Luxusuhr in 5 oder 10 Jahren aussehen wird?

Das Zauberwort ist Authentizität, denn die junge Generation ist sehr aufmerksam und kritisch gegenüber opportunistischen Ansätzen. Wir zeigen uns so, wie wir wirklich sind und sehen gerade in der digitalen Welt zahlreiche Möglichkeiten, um damit spannende Geschichten zu erzählen. Gerade unsere jungen Kunden schätzen es, dass wir keinem Trend hinterherlaufen, keine Partnerschaften mit den neuesten Hip-Hop- oder K-Pop-Stars eingehen oder Produkte in Netflix-Serien platzieren. Wir sind, wer wir sind, und stehen für eine lange Geschichte und eine besondere Art von Handwerkskunst, die eine universelle Bedeutung bekommen hat. Gerade wer in einer vollständig digitalisierten Welt aufwächst, ist sehr von der Idee fasziniert, dass wir jeden Tag einzigartige Stücke von Hand fertigen.

Das Interview führte David Schank. 

Weitere Informationen zu Van Cleef & Arpels finden Sie direkt auf der Seite der Maison hier


Bild 1 ©Van Cleef & Arpels • Bilder 2 & 3 ©David Schank, Watchlounge