Der Wechsel von Georges Kern zu Breitling gehörte zu den wichtigsten und unerwartetsten Neuigkeiten der gesamten Uhrenbranche im vergangenen Jahr. Seit August 2017 hält Kern nun die Zügel bei Breitling in der Hand und hat mit der Navitimer 8 bereits eine neue Kollektion vorgestellt. In München haben wir ihn während der Roadshow zur Neuheitenpräsentation zum Interview getroffen.

Georges Kern

Herr Kern, seit etwas mehr als einem halben Jahr stehen Sie als CEO an der Spitze von Breitling. Was hat Sie dazu bewogen, nach über 15 Jahren bei bei einem der grössten Luxusgüterkonzernen das Unternehmen zu wechseln? 

Grundsätzlich waren es zwei Aspekte. Zum einen die Möglichkeit, als Unternehmer tätig sein zu können, was im klassischen Angestelltenverhältnis in diesem Maße nur in wenigen Fällen möglich ist. Aktuell sind etwa 25-30 Mitarbeitende an Breitling beteiligt. Daraus ergibt sich ein ganz anderes Arbeitsgefühl.

Zum anderen ist Breitling eine Marke mit phänomenalem Potenzial. Schauen Sie sich unsere reiche Vergangenheit an, all unsere Innovationen und die klassischen Uhren – und denken Sie an die Stories, die wir darauf basierend in Zukunft erzählen können. Unser Ziel ist es, mit der bestehenden DNA, Breitling als globale Marke zu etablieren.

Die Unternehmensanteile von Breitling liegen seit letztem Jahr mehrheitlich bei der Private-Equity-Gesellschaft CVC-Partners. Sie haben die unternehmerische Beteiligung einiger Mitarbeiter bereits angesprochen. Welche Vorteile sehen Sie für die Zukunft der Marke in dieser neuen Eigentümerkonstellation?

Der größte Vorteil liegt in der maximalen Motivation durch die direkte Beteiligung am Erfolg des Unternehmens. Auch in den vorherigen Positionen meines Berufslebens habe ich mich natürlich für meine Mitarbeiter und den Erfolg der Firma verantwortlich gefühlt. Aber wenn sie einen erheblichen Teil ihres privaten Geldes investiert haben, wird deutlich ersichtlich, dass berufliche Entscheidungen eine nochmals andere Dimension annehmen und einen unmittelbaren Einfluss auf ihr privates Leben nehmen.

Da wir gerade über die Zukunft von Breitling sprechen, der erste Coup, der unter Ihrer Führung präsentiert wurde, ist die neue Navitimer-8-Linie. In welcher Verbindung stehen diese neuen Modelle zur #legendaryfuture, die Sie seit Anfang des Jahres auf den Social-Media-Kanälen ankündigen? 

Uns war schnell klar, dass Breitling historisch bedingt unzählige weitere Aspekte aufzuweisen hat, als nur die Verbindung zur Fliegerei. Die Marke hatte eine reiche Geschichte, über die wir mit unseren zukünftigen Produkten mehr sprechen werden.

Durch diese historische Vielfalt hat sich uns auch die entscheidende Frage gestellt: Womit fangen wir an? Wir wollten zum Start eine klassische Fliegeruhr mit einem leichten Retro-Touch – in Anlehnung an die ersten Bord- und Pilotenuhren – lancieren.

Breitling Navitimer 8

Viel Zeit blieb Ihnen von der Szepterübernahme bis zur Präsentation der Navitimer 8 nicht. Welche Neuheiten und Veränderungen können wir zukünftig in Ihrem Portfolio erwarten? 

Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Wir sind im Preissegment von circa 3.000 bis 9.000 Euro vertreten und haben dort als Marke eine sehr starke Glaubwürdigkeit. Uhren unterhalb dieses Preissegments, vor allem mit Quarzwerken, werden wir in Zukunft nicht mehr führen, mit Ausnahme von Modellen für den professionellen Einsatz. Gleichzeitig werden wir aber auch die Preisskala nicht nach oben erweitern, denn Breitling ist keine Haute-Horlogerie-Marke.

Was ich Ihnen mit Blick auf die Neuheiten heute schon verraten kann: Wir werden in Zukunft einige limitierte Re-Editions sowie Special-Editions in Anlehnung an unsere neuen Partnerschaften z.B. mit Norton Motorcycles oder auch Ocean Concervancy präsentieren.

Wir werden unser Sortiment zudem deutlich verschlanken, denn das Produktangebot von Breitling ist für unsere Kunden zu unübersichtlich. Grundsätzlich ist die Anzahl der Varianten innerhalb der Produktlinien zu groß. Römische Zahlen, arabische Zahlen, runde Zähler, eckige Zähler, dazu noch verschiedenste Bänder. Zu viel Auswahl, ist keine Auswahl.

Selbst der Handel hat Mühe, diese Menge an verschiedenen Modellen zu erkennen und zu verstehen. Kurz gesagt, wir tun uns aktuell schwer, unser Potenzial, trotz unseres enorm hohen Bekanntheitsgrads, auszuschöpfen. Deshalb werden wir unser Portfolio strukturieren, die rund 600 Referenzen auf 120 reduzieren und damit gleichzeitig den Wiedererkennungswert der Marke erhöhen.

Die Weltpremiere der Navitimer 8 fand in Shanghai statt, drei Tage später standen Sie bei Bloomberg Hong Kong vor der Kamera. Wie wollen Sie ungenutzte Kapazitäten im Markt „Greater China“ aktivieren? 

Aktuell sind wir in unserem Segment die Nische in der Nische. Erstens sind wir eine Fliegeruhr. Zweitens sind wir eine sehr große Fliegeruhr und drittens sind wir eine große, laute Fliegeruhr. Deshalb planen wir das Angebot im oben erwähnten Preissegment auszuweiten mit sportlichen und eleganten Modellen im Themenbereich Erde und Wasser zu komplementieren.

Mit klassischeren, eleganteren und kleineren Modellen wollen wir in unseren starken Märkten USA und Europa eine neue Kundschaft gewinnen und gleichzeitig erschließen wir damit auch den asiatischen Markt. Dort waren unser Produkte bisher weder von der Ergonomie, noch vom Design, noch vom Storytelling an den Geschmack der Kunden angepasst.

Sie haben dafür gesorgt, dass Breitling weniger als zwei Monate vor der Baselworld eine komplett neue Kollektion präsentiert. Welche Bedeutung hat die Traditionsmesse noch für Sie?

Die grundsätzliche Frage ist, was soll eine Messe sein: Kommunikationsplattform- oder Verkaufsplattform? In diesem Zusammenhang steht Baselworld in meinen Augen vor einem Transformationsprozess zu einer Kommunikations-Plattform, auf der die Hersteller ihre neuen Produkte präsentieren können. Das Modell einer klassischen Verkaufsmesse aber halte ich für  nicht mehr zeitgemäss.

Wir veranstalten aktuell eine Roadshow rund um die Welt mit einem eigenen Event auch hier in München. Anlässlich dieser Roadshowevents stellen wir unsere Produkte dem Handel vor und können sie gleichzeitig den Mitarbeitern der Konzessionäre wie auch Vertretern der Presse erklären. Für uns stellt dieses Vorgehen eine Win-Win-Situation dar.

Nichtsdestotrotz werden wir dieses Jahr in Basel vertreten sein und genau beobachten, ob und wie sich die Messe wandelt, um in unseren Augen relevant zu bleiben.

Aktuell gelten die USA, UK und Japan als umsatzstärkste Breitling-Märkte. Welche Veränderungen planen Sie für den deutschen Markt?

Der deutsche Markt ist stark und sehr wichtig für uns. Deshalb haben wir Anfang des Jahres eine strukturelle Veränderung vorgenommen. Bisher haben wir in Deutschland mit der Firma Trautmann als Generalimporteur zusammengearbeitet. Konkret hat Trautmann uns die Uhren abgekauft und sie an den Handel weiterverkauft – und dies über sehr viele Jahre sehr erfolgreich. Nun glauben wir jedoch unsere Vision von Breitling und die damit verbundenen Ziele mit einer eigenen Struktur besser umsetzen zu können. Daher werden wir ab dem 1. April mit der Breitling Deutschland GmbH näher beim Händler und näher bei den Kunden sein.

Ein abschließender Ausblick: Was dürfen die Fans Ihrer Marke mit Blick auf die Digitalisierung erwarten?

Wir verkaufen zwar analoge und emotionale Produkte, aber alles was diese Produkte umgibt, der Kundenkontakt, der Verkaufsprozess und auch der Service, unterliegen der Digitalisierung.

Für uns bleibt die mechanische Uhr im Mittelpunk. Neu werden wir unseren Kunden jedoch die Möglichkeit bieten, ihre Breitling online, in unseren Boutiquen oder aber bei einem von uns zertifizierten Händler zu kaufen. Diese Omnichannel-Strategie ist heute praktisch in allen Branchen bereits implementiert. Somit bieten wir dem Kunden die grösstmögliche Freiheit, seine Wunschuhr zu kaufen, wann immer er es möchte.

Herr Kern, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.  

Das Interview führte David Schank. Es wurde editiert und autorisiert.