Exklusivinterview mit einem Branchenkenner: Uwe Beckmann ist seit 29 Jahren bei Wempe und seit 1995 Geschäftsführer der Wempe Niederlassung Berlin Friedrichstraße. Wenn einer über Frauen und Uhren Bescheid weiß, dann er.

Uwe Beckmann Wempe Berlin
Uwe Beckmann ist eine Institution unter Deutschlands Uhrenexperten – 29 Jahre bei Wempe haben ihn zum gefragten Kenner und Brancheninsider gemacht. Foto: Benne Ochs

 

Herr Beckmann, was ist in puncto Uhren der größte Unterschied zwischen Frauen und Männern?
Bitte schimpfen Sie mich jetzt nicht, aber bei Frauen ist die Technik nicht das Wichtigste. Bei ihnen steht das Design im Vordergrund.

Oh je. Das Klischee also?
Vielleicht ein bisschen, aber das hat ja auch seine Berechtigung. Das Thema Luxusuhren für Frauen ist trotzdem enorm spannend. Nur haben wir bei den Damen mehrere sehr verschiedene Gruppen: Der einen geht es ausschließlich um die Optik, die Uhr soll gefallen und zu Schmuck und Kleidung passen. Die zweite hat Freude an mechanischen Uhren, findet das toll, ohne passionierte Sammlerin zu sein. Diese Gruppe verbringt ihre Zeit weder auf Auktionen, noch im Uhrenmuseum. Für sie ist die mechanische Uhr ein„Nice-to-have“. Auch die Lifestyle-Presse hat in den letzten 25 Jahren dazu beigetragen, dass mechanische Zeitmesser immer gesellschaftsfähiger wurden.

Und die dritte Gruppe?
Das ist eine relativ kleine Gruppe, die sich ganz intensiv in das Thema Mechanik vertieft. Diese Frauen kaufen meist Herrenuhren. Und dann gibt es natürlich auch noch die Männer, die ihren Frauen nur mechanische Uhren kaufen.

Gibt es dann überhaupt noch Abgrenzungen?
Eher in die andere Richtung: Ein Mann würde sich wohl kaum eine zierliche Art-Deco-Uhr kaufen, aber die Damen können heute aus dem Vollen schöpfen: Eine Tag Heuer Monaco sieht toll aus bei Frauen, ebenso wie die IWC Portugieser. Oder die Rolex Datejust 36 mm. Das ist ja ursprünglich eine Herrenuhr, heute verkaufen wir diese Größe zu 90 Prozent an Damen. Ebenso die Datejust II oder die Submariner. Die ganz kleinen Modelle kaufen deutsche Frauen zur Zeit eher selten. Auch unsere eigenen Wempe Chronometerwerke und Wempe Zeitmeister Uhren werden inzwischen von vielen Frauen getragen.

Also alles Unisex?
Prinzipiell Ja. Die Frauen haben die Uhren der Männer annektiert. Eine Panerai oder Breitling am weiblichen Handgelenk, das war früher undenkbar, heute ist es ganz normal. Es gibt nur noch wenige Marken wie Chopard oder Cartier, die bei den Männern vielleicht noch ein bisschen mehr für Damenuhren stehen, aber insgesamt überschneidet sich das mehr und mehr. Der XXL-Chrono am Handgelenk passt aber auch nicht immer! Das ist ja gerade das Schöne bei den Damen, dass Sie so eine fantastische Vielfalt haben und für jeden Anlass die passende Uhr finden können. Zum Abendkleid sollte es zum Beispiel lieber eine feine Damenuhr sein, wie die Tank Française von Cartier, die zu den erfolgreichsten Damenuhren der Welt gehört, oder die Reverso von Jaeger-LeCoultre. Aber auch andere Marken haben diesen Markt für sich entdeckt und bieten jetzt unglaublich viele Unisex- oder Damenmodelle an, und das in den verschiedensten Preissegmenten.

Und das Innenleben?
Ist wie gesagt nicht das Wichtigste, und war es lange Zeit überhaupt nicht. Jaeger-LeCoultre hat die Reverso jahrzehntelang mit Quarzwerk angeboten, Cartier die Tank auch. Es gibt unglaublich erfolgreiche Damenuhren mit Quarzwerk, wie die Twenty-4 von Patek Philippe, die wird in der Stahlversion bis heute ausschließlich in Quarz angeboten.

Der Preis hat also nichts mit der Entscheidung für Mechanik oder Quarz zu tun?
Bei den Frauen nicht. Sie wollen die Uhr auch mal abends schnell anlegen und nicht noch aufziehen müssen, wenn die Fingernägel gerade frisch lackiert sind. Sie kaufen auch keine Uhrenbeweger, und wollen sie so lange wie möglich tragen, ohne sie zum Service bringen zu müssen. Zum Glück kommen ihnen da die heutigen mechanischen Modelle auch sehr entgegen. Die Fette und Öle in den modernen Werken haben eine ganz andere Leistung als noch vor 20 Jahren, damals brauchten mechanische Uhren wesentlich öfter einen Service.

Wie viele Frauen kaufen mittlerweile mechanische Uhren?
Das können wir eben aufgrund der vielen Unisex-Modelle gar nicht so genau sagen. Wenn Frauen für ihre Männer Uhren kaufen, fragen sie natürlich oft nach mechanischen Uhren. Und über die Auseinandersetzung mit dem Thema und der Wertschöpfung beginnen sich manche dann auch für Mechanik zu interessieren.

Sind Smart Watches Männerspielzeug, oder auch ein Frauen-Thema?
Ich bin sehr gespannt, wie die Apple Watch bei den Damen ankommt, 70er-Jahre-Design liegt bei den Frauen im Augenblick ja sehr im Trend. Über die Smart Watches wird die ganz junge Generation wieder lernen, eine Uhr am Handgelenk zu tragen. Und dann darf es auch wieder mal eine mechanische Uhr sein. Das ist wie damals mit der Generation Golf und der Swatch, die hat die analoge Armbanduhr erst wieder gesellschaftsfähig gemacht. Die Kinder lernten dadurch wieder, eine Uhr zu tragen, und zu sammeln, dafür müssen wir Herrn Hayek (Anm.: Nicolas Hayek † war Gründer der Swatch Gruppe) heute noch dankbar sein.

Interview: Elke Reinhold, Editor at Large Watchlounge.com