Die Baselworld ist die weltgrößte Uhrenmesse und setzt maßgebliche Trends im Uhrenbusiness. Watchlounge-Autor Martin Häußermann hat sich umgeschaut und präsentiert seine persönliche Top-Ten.

Die Goldgräberstimmung ist vorbei. Die Chinesen kaufen nur noch im eigenen Land – und dort auch meist günstigere Uhren – ein und auch der Kaufrausch in Russland scheint deutlich abgeebbt zu sein. Das und auch ein zurückhaltendes Konsumklima in einigen anderen Märkten führt dazu, dass die Branche ein wenig schwächelt. Was sich ganz gut an der Swatchgroup festmachen lässt, die vergangenes Jahr elf Prozent vom Umsatz und sogar die Hälfte des Gewinns einbüßte. Gespürt haben die Kaufzurückhaltung die meisten, wenn auch lange nicht alle. So berichtete beispielsweise Nomos von einer Umsatzsteigerung von über 20 Prozent, Oris hat sein Niveau zumindest gehalten.

Von Krise mag man zwar nicht reden, doch ist so mancher Aussteller mit einem deutlich kleineren an den Start gegangen, einige auch gar nicht. Je nach Quelle kamen zwischen 80 und 100 Aussteller weniger nach Basel. Das „Palace“, ein Zelt neben dem Messegebäude, in dem kleine, unabhängige Marken ausstellten, fehlte ganz. Ein Teil dieser Aussteller füllte frei gewordenen Raum in den Hallen auf. In einer offiziellen Pressemitteilung schreibt die Messegesellschaft, dass nur vier Prozent weniger Einkäufer nach Basel gekommen seien, doch während meiner vier Messetage hatte ich den Eindruck, dass in den Gängen gefühlt nur noch die Hälfte der Leute unterwegs waren.

Alles Schlechte hat auch sein Gutes, zumindest für die europäische Kundschaft. Denn die Marktsituation verlangt von den Uhrenbauern, sich anzupassen. „Einige haben wohl ihre Kernzielgruppe vorübergehend aus dem Blick verloren“, sagte mir Chopard-Co-Präsident Karl-Friedrich Scheufele. Da hat er wohl recht. Bisher galt für viele das Sportlermotto schneller, höher, weiter, das in der Uhrenbranche mit verrückter, komplizierter, teurer übersetzt wird. Daran hat sich doch nun einiges geändert. Anstat nun das hundertste „linksdrehende Tourbillon mit Diamantbesatz“ – Entschuldigung für diese Überspitzung – vorzustellen, traf ich in Basel auf erfreulich viele wirklich funktionelle Uhren und auch solche mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Oris ist dafür bekannt und hat eine Menge Neuheiten im Köcher, auf die Normalverdiener auch sparen können. Gleiches gilt für Seiko, gleich, ob man nun die Erweiterung der Linie Presage nimmt oder auch die neuen Prospex-Taucheruhren.

Um das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern, kommen auch Luxusmarken auf interessante Ideen. Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft tauschen Breitling und Tudor Uhrwerke aus und passen sie auf die eigenen Bedürfnisse an, anstatt alles von Grund auf neu zu entwickeln. So baut Breitling künftig in seine Dreizeigeruhren das MT5815 ein während Tudor für seine Chronographen mit dem modifizierten B01 ausstattet. Interessanterweise bedient sich Tudor nicht bei der großen Schwester Rolex, die ja auch ein zweifellos hervorragendes Chronographenwerk besitzt. Warum dies so ist, darüber schweigen sich die Betroffenen aus. Sei’s drum, ich halte die gewählte Lösung für nicht so schlecht.

Glashütte Original auf der Baselworld 2017

Mit der Senator Excellence und deren neu entwickelten Kaliber 36 ließ Glashütte Original schon vergangenes Jahr Mechanikfreunde mit der Zunge schnalzen. Nun haben die Sachsen buchstäblich was draufgesetzt, nämlich einen Ewigen Kalender. Blickfang bleibt das große Panoramadatum, dazu gesellen sich eine Wochentags- und Monatsanzeige, ergänzt um eine Mondphase sowie eine Schaltjahresanzeige bei 12 Uhr, die per Zeiger informiert, wie lange es noch bis zum nächsten Schaltjahr dauert. In Stahl ist die neue Senator ab 19.500 Euro zu haben.

Mühle Glashütte auf der Baselworld 2017

Mühle Glashütte kann nicht nur Sportuhren bauen. Die Sachsen haben ihr Angebot an eleganten Herrenuhren dieses Jahr erweitert mit der neuen Linie „Lunova“. Diese startet zunächst mit drei Modellen, alle mit einem Durchmesser von 42,3 Millimeter: Die Lunova Datum (1.750 Euro), die Lunova Tag/Datum (1.990 Euro) sowie der Chronograph (2.990 Euro). Mein Favorit ist das Einstiegsmodell, das mit Klarheit und Eleganz besticht und außerdem ein gut ablesbares, großes Datumsfenster hat.

Oris auf der Baselworld 2017

„Wir haben Respekt vor Menschen die ihr Geld hart verdienen müssen, denen wollen wir faire Produkte anbieten“, sagt Oris-Geschäftsführer Rolf Studer und tritt mit der neuen Kollektion eindrucksvoll den Beweis an mit zahlreichen schönen und sauber verarbeiteten Automatikuhren in der Preisklasse zwischen 1500 und 3000 Euro. Mein persönlicher Favorit ist die Replika einer Fliegeruhr aus dem Jahr 1917, die entsprechend auch nur 1917 mal gebaut wird. Sie kostet 2.300 Euro, wird von einem modifizierten Sellita SW 200 angetrieben und kommt mit einem Antiklederband samt der damals übliche Lederunterlage, die den direkten Kontakt des Bodens mit dem Handgelenk verhindert.

Patek Philippe auf der Baselworld 2017

Mit 25 neuen Modellen im Koffer trat Patek Philippe die Reise nach Basel an. Das unbestrittene Highlight der Genfer ist die Aquanaut Advaced Research Travel Time. Hier kommt eine neuer Verstellmechanismus für den Stundenzeiger – notwendig beim Wechsel in eine andere Zeitzone – zum Einsatz. Der Mechanismus kommt mit zwölf Einzelteilen aus, baut deshalb auch deutlich kleiner als der bisherige, der aus 37 Teilen bestand. Zu sehen ist der Mechanismus bei der Aquanaut durch einen ausschnitt im Zifferblatt. Wie zu erfahren war, ist die auf 500 Exemplare limitierte Edition bereits ausverkauft.

Porschedesign auf der Baselworld 2017

Porsche Design erinnert sich mit seiner neuen „Monobloc Actuator“ (ab 6.000 Euro) an alte Stärken. Ihr Designkonzept erinnert an den legendären PD-Titanchronographen von 1978, die Umsetzung ist jedoch vollkommen zeitgemäß. Spannend bei dieser Uhr ist die patentierte Drückerbetätigung, bei deren Entwicklung Porsche Design Schützenhilfe von den Sportwagenentwicklern aus Weissach bekommen hat. Gefallen hat mir auch das doppelt entspiegelte Glas, dessen Entspiegelung obendrein auch noch einen unsichtbaren Kratzschutz erhalten hat.

Rolex auf der Baselworld 2017

Rolex setzt weiterhin auf die Stärke der eigenen Marke und pflegt das Modellprogramm moderat. Highlight der Präsentation in Basel war die erneuerte Taucheruhr Sea-Dweller (10.350 Euro). Jetzt kommt sie in einem 43-Millimeter-Stahlgehäuse und wie die Submariner mit Datumslupe auf dem Saphirglas. Uhrwerkstechnisch bleibt alles beim alten.

Seiko auf der Baselworld 2017

Manufakturtechnik im dreistelligen Euro-Bereich – das kann eigentlich nur Seiko. Dank hoher Vertikalisierung und Stückzahlen sind die Japaner in der Lage, eine funktionelle und sehr ansehnliche Automatiktaucheruhr im Edelstahlgehäuse für 450 Euro anzubieten. Die so genannte Samurai ist mit dem Kaliber 4R35 ausgestattet, das bei Seiko die Einsteigerklasse bildet. Dennoch: Ich würde sie mir kaufen.

Sinn auf der Baselworld 2017

Sinn konzipiert gerne Uhren mit Profis für Profis. Die werden – zugegeben etwas martialisch – Einsatzzeitmesser (EZM) genannt. Die Nachfrage nach solchen Profiuhren ist groß, sonst würde diese Linie dieses Jahr nicht ihren 20. Geburtstag feiern. Sozusagen das Jubiläumsmodel ist die EZM 12, eine Uhr für Rettungskräfte. Ein innenliegender Drehring sowie eine drehbare Lünette helfen den Rettern, wichtige Zeiten im Auge zu behalten. Die Uhr lässt sich auch problos reinigen oder sterilisieren. Dazu lässt sich der Drehring abnehmen, ebenso das Band mit einem genial einfachen Schnellwechselsystem. Preis: ab 3.250 Euro.

Tudor auf der Baselworld 2017

Tudor geht mit einem neuen, sehr schicken Chrono an den Start. Für den Heritage Black Bay Chronographen (3.700 Euro) nutzen die Genfer das Kaliber B01 mit Schaltrad und vertikaler Kupplung von Breitling, das mit der Tudor-eigenen Hemmung und einer Siliziumspirale feingetunt wurde und nun MT 5813 heißt. Ein Chronograph in bester Tudor-Tradition, der auch preislich viele Wettbewerber herausfordert.

Tutima auf der Baselworld 2017

Endlich! Tutima hat sein eigenes Chronographenwerk. Nach drei Jahren Entwicklungszeit präsentierten die Sachsen das Kaliber T659, das von einem alten Tutima-Werk abgeleitet wurde. Zeichnung davon gab es keine mehr, die Konstrukteure zerlegten ein historisches Uhrwerk, nahmen dies auch als Vorbild, berechneten es aber komplett neu. Das Modell heißt „Tempostopp“, was nichts anderes ist als die (alt-)deutsche Bezeichnung der Flyback-Funktion. Die ursprüngliche Konstruktion ist 90 Jahre alt, entsprechend werden zunächst auch nur 90 Uhren im Goldgehäuse gebaut. Preis 28.600 Euro.

Text und Fotos: Martin Häußermann