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Renommierte Architekten und kreative Stand-Designer gaben sich bei der Baselworld 2013 die Ehre, um die Markenwelten der Luxusuhren- und Schmuckbranche zu inszenieren. Watchlounge.com hat das Ergebnis genau angesehen – eine Stilkritik:

Der größte Dank gilt in diesem Jahr zunächst zwei Architekten, die keinen der millionenteuren Stände an sich entworfen haben, aber in der Rekordzeit von einem Jahr eine viel größere Herausforderung zu meistern hatten: Die Schweizer Jaques Herzog und Pierre de Meuron, die auch die Münchner Allianz-Arena gestalteten und sich in Hamburg auf das Abenteuer Elbphilharmonie einließen, landeten am Baseler Messeplatz ein 220 Meter langes, 90 Meter breites und 32 Meter hohes Raumschiff, das sich über die vorhandene Ausstellungsflächen stülpt und diese um knapp 40 Prozent wachsen lies.

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Dennoch findet man sich erstaunlich gut zurecht. Pünktlich wurde die nun um zwei Stockwerke erweiterte Halle 1 fertig und dank einer hervorragenden Klimaanlage hielten es auch Menschen, die sonst ab der Mittagszeit keine Termine mehr oberhalb der Branchenriesen im Erdgeschoss machen wollten, sehr gut aus. Standmitarbeiter diverser Luxusfirmen sollen ihren Kollegen sogar Pullover empfohlen haben. Über die Gestaltung des Messevorplatzes, heftig umstritten, sollte man kein vorschnelles Urteil fällen: Wenn der Budenzauber der Schmuck- und Uhrenmesse vorbei ist, könnte sich der riesige Riegel, der den östlichen Messeplatz zur Stadt hin abtrennt, als städtebaulich richtige Maßnahme erweisen.

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Den mit Abstand schönsten Messestand entwarf Citizen. Ja, richtig, eine Marke, die man als Sammler nun so gar nicht auf dem Schirm hat. Im eigentlichen Sinn handelte es sich noch nicht mal um einen richtigen Messestand mit Wänden, sondern eher um eine Art Kunst-Installation: An langen, zwischen Decke und Boden gespannten Drahtseilen, hingen tausende vergoldeter Uhrwerks-Platinen, die durch wechselnde Spots beleuchtet und vor schwarzem Hintergrund einem das Gefühl vermittelten, unversehens in einen Goldregen oder glänzenden Meteoritenschauer gekommen zu sein.

Citizen

Sehr poetisch, zielte das Ganze darauf ab, auf die satellitengestützten Uhren hinzuweisen, die im Sommer in einigen Ländern auf den Markt kommen sollen. Leider konnten die Mitarbeiter einem auf Nachfrage nicht mitteilen, um welche Platinen es sich denn eigentlich handele. Sie wussten noch nicht einmal, ob die überhaupt aus deren Hause war.

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Der langweiligste Messestand war mit Sicherheit der von Patek Philippe: Schlicht, weil man damit abwartet, den neuen zum 175. Firmenjubiläum zu präsentieren. Das dürfte sich als doppelt schlauer Schachzug erweisen: Zum einen kann man sich die Arbeit der anderen Firmen in Ruhe anschauen (und die hatten bis auf das obligatorische hausgroße Breitling-Aquarium alle einen neuen Stand in Halle 1), zum anderen zieht man nächstes Jahr die doppelte Aufmerksamkeit auf sich. Chapeau, Monsieur Stern!

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Die meiste Publicity wird sicher der Stand von Hermes einheimsen. Denn die Pariser hatten, das geben sie selber zu, eher zufällig ausgerechnet den Japanischen „Starchitekten“ Toyo Ito gebeten, ihre neue Repräsentanz im ersten Stock zu entwerfen: Da dieser soeben den Oskar für Architektur erhielt, den mit 100.000 Dollar dotieren Pritzker Preis, und der Architekt auch noch persönlich zur Einweihung anwesend war, stattete die Weltpresse am ersten Tag dem auf den ersten Blick an einen im Sturm verbogenen Jägerzaun erinnernden Gebilde in großen Scharen Besuche ab.

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Schaute man sich viele andere Stände danach an, fiel aber schnell die Stärke des Entwurfs auf: Aus den über Kreuz verschraubten Buchenholzstreben lugte frisches Grün hervor, das Gewusel der Menschen im Inneren blieb dabei nicht verborgen. Im Gegensatz zu den übrigen abgeriegelten Bunkern hatte das etwas spielerisch Leichtes. Die gewonnen Blicke ins Innere ließen zudem erstmals erahnen, welche Ausmaße die schon kaum noch als Messebau zu bezeichnende Architekturen angenommen haben.

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Den größten Messestand (wenn man Rolex und Tudor getrennt betrachtet) nahm dieses Jahr mit 2000 Quadratmetern auf drei Stockwerken Tag Heuer ein, die aber, bis auf eine sehr repräsentative Außentreppe und davor geparktem, hochglanzpolierten McLaren-Roadster, offensichtlich hauptsächlich für Verkaufsräume verplant wurden: Beim Eröffnungscocktail im viel zu engen Foyer war man froh, wenn man wieder draußen war.

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Dagegen ging es bei anderen deutlich luftiger zu: Gerade die kleinen Betriebe, die es sich leisten konnten und die großen Luxuskonzerne konnten sich ausbreiten und schienen in den oberen Geschossen nicht mehr zusammengepfercht. Da ist der wunderschöne Stand der Schweizer Architekten vom Atelier Oi zu nennen, die für Victorinox ein komplett neues Markenimage kreierten: In einem kleinen Innenhof, gänzlich mit Eichenholzquadern verkleidet, erschien ein durch LED-Screens simulierter und Spiegelflächen endlos erweiterter Schweizer Berghimmel. Die Uhren, die der ehemalige Audemars-Piguet-Designer Francois Nunez entwarf, taten ihr übrigens zu dem positiven Eindruck. Die Fossil-Tochter Burberry ätzte ihr weltberühmtes Check-Muster in geschwärztes, hinterleuchtetes Glas. Bei Dior bepflanzte man nicht nur einen gesamten Treppenaufgang, sondern ließ im Obergeschoss einen Teppich anfertigen, der einer gerasterten Aufnahme der Gartenanlagen in Versailles entsprach.

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Überhaupt, die Blumen: Die Gänge waren mit Kübeln geschmückt, die nicht etwa mit Kunstgrün bestückt waren. In den offensichtlich eigens angefertigten, ungezählten Kunststoffkuben steckten jeweils 81 Calla-Lilien, die von Lochplatten in Reih und Glied gehalten wurden und dank Wasserbad ihre weißen Köpfe nicht hängen ließen. Wie dieselbe Anzahl, die jeweils von der Decke hing, bewässert wurde, ist unbekannt.

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Wer fehlte? Neben Eterna, die erstmals der Messe den Rücken kehrten und nur im Kongress-Center zu besichtigen waren, hatte Louis Vuitton zum Pressefrühstück in eine Privatvilla in die Baseler Petersgasse geladen. Der Umweg lohnte sich nicht nur, um die Weiterentwicklung der Tambour-Serie zu anzuschauen, allein wer ein bis ins Detail renoviertes großbürgerliches Haus des 18.Jahrhunderts erleben wollte, war angetan.

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Dem Thema Luftfahrt können sich einige Firmen schon aus Ihrer Geschichte heraus gar nicht entziehen. Poetisch wie eine Vitrine bei Tutima, die den Kondensstreifen eines Jets über die gesamte Standbreite nachzeichnete oder martialisch wie das Cockpit eines Kampfflugzeuges, das Bell&Ross-Gründer Bruno Belamich eigens aus dem Pariser Atelier einbestellen ließ.

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Gefallen haben uns auch die Schaufenster von Chronoswiss, bei denen nach der Übernahme durch die Familie Ebstein ein neuer Wind weht:  Oliver Ebstein, selbst Pilot, zeigt seine neue Koopertation mit Dornier, die auch auf einer privaten Freundschaft basiert, in der Vitrine: Dort fliegen Miniaturmodelle eines neuen Flugzeugprototypen um die limitierten Timemaster-Uhren.

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Der Platzhirsch der Messe, die Swatch Group, auf deren Stand seit Jahren die vom Eingang kommende Gerade führt, hielt sich dezent zurück. Neu, allerdings bei weitem architektonisch nicht so sensationell wie die dort vorgestellte Uhr: die Marke Swatch hatte auf der anderen Seite des Messeplatz einen eigenen, ersten Auftritt.

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Und während die Tochter Movado elektronisch animierte Luftblasen aus Mini-LEDs an der schwarzen Textilfassade aufsteigen ließ, beeindruckte vor allem ein drei Stockwerke hohes Foto hinter dem Blancpain-Stand, das einen Blauwal zeigt, dem beim Luftholen offensichtlich ein Taucher die Hand reichen wollte.

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Den größten Show-Effekt hatte erstaunlicher Weise nicht die Marke Hublot, die sich gegenüber von Tag Heuer in einem schwarzen Kubus die Pole-Position sicherte, sondern Swarovski: Der Kristallglashersteller verwandelte gleich seinen gesamten Messerstand in ein gigantisches Juwel und bestückte die gesamte Außenfassade mit silbernen Kunststoffreflektoren, die durch unregelmäßig eingelassene LEDs wie Diamanten zu funkeln begannen.

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Und Rolex? Glich wie eh und je einer Trutzburg, in die immerhin einige scharfgeschnittene Breschen geschlagen wurden und wenige Einblicke in den sonst wie üblich der Öffentlichkeit versperrten Stand gewährte.

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Deutlich aggressiver gab man sich bei Tudor, die erstmals in der Geschichte der Genfer ihre Marke zeigen durften: Der schwarze Kubus glühte dank rot eingeschnittener Leuchtelemente wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht.

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Dass sich ausgerechnet nun die Topmarke des Swatch-Konzerns und einstiger Napoelon-Lieferant Breguet neben dem jungen Sprössling wiederfindet, wird Swatch-Group CEO Nick Hayek, sonst gern mal zu Späßen aufgelegt, sicher nicht ganz so amüsant gefunden haben.

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